Body and Brain - Ein Leben in tausend Brüchen
Peter Radtke kam mit Glasknochen auf die Welt und hat bis heute in 69 Jahren mehr als 150 Knochenbrüche hinter sich. Er hat promoviert, war Geschäftsführer eines Fernsehprogramm-veranstalters, Schauspieler am Burgtheater und sitzt im Deutschen Ethikrat. Body and Brain ist ein Film von Thomas Koerner und Hermann Hoebel, der Peter Radtke in einer Langzeitbeobachtung über viele Jahre hinweg begleitet und ein vielschichtiges Portrait dieses einzigartigen Menschen zeigt.
Peter Radtke inszeniert in Ingolstadt mit der Schauspielerin Jana Zöll
Peter Radtke mit Regisseur Thomas Koerner
Der Spagat zwischen Freakshow und Künstlerlaufbahn (von Dr. Peter Radtke)
Das Publikum ist progressiver als es die Theaterverantwortlichen wahr haben wollen. Das ist eine Erkenntnis, die ich in rund zwanzig Jahren professioneller Theaterarbeit gewonnen habe. Dennoch kann man nicht übersehen, dass es tatsächlich Gefahren gibt, die in Zusammenhang mit behinderten Darstellern auf der Bühne stehen.
Die Gefahr der Manipulation
Ich wehre mich gegen manche beschützende und damit gleichzeitig bevormundende Kritik, die glaubt, ich sei der Spielball irgendeines verrückten Regisseurs. Dieser Ansicht begegnet man immer wieder, weil es anscheinend üblich ist, behinderten Menschen keine Urteilsfähigkeit zuzutrauen. Allerdings ist tatsächlich nicht von der Hand zu weisen, dass die Gefahr stets vorhanden ist, Opfer von Manipulationen zu werden. Dies betrifft aber nicht nur behinderte Schauspieler sondern Schauspieler generell. Es ist eine Gratwanderung und insbesondere behinderte Menschen haben eine spezielle Pflicht, sich die einzelnen Projekte genau anzuschauen, bei denen sie mitmachen. In dieser Hinsicht bin ich froh, dass ich nicht als festes Ensemblemitglied an einem Theater engagiert bin. Dann muss man nämlich spielen, was einem vorgegeben wird. Deshalb würde ich davor warnen, sich nur auf eine Schauspielerkarriere festzulegen.
Die Rollenwahl
Welche Charaktere man verkörpert, spielt eine entscheidende Rolle. Man kann durch die Besetzung einer bestimmten Figur mit einem behinderten Darsteller völlig neue Perspektiven eröffnen. Man kann aber auch Klischees festigen und befördern. Auch wenn wir es vielleicht innerlich ablehnen, wir tragen in unserm öffentlichen Tun mehr Verantwortung als sogenannte "normale" Schauspieler. Das einfache Publikum wird von unserm Auftreten immer Rückschlüsse auf die Realität behinderter Menschen ziehen. Deshalb darf man nicht zu jedem Rollenangebot ja und amen sagen. Es ist aber auch eine einmalig Chance, Bewusstseinsänderungen einzuleiten, die auf herkömmliche Weise nicht zu erreichen wären.