Bildnis eines Fußballfans
Ein Film von Hans Albrecht Lusznat
D 1979, 30 Minuten
Dokumentarfilm, Japan Standard I
Regie: HA Lusznat
Kamera: Hans Albrecht Lusznat
Ton: T.Klinger
Produktion: Glockenbachwerkstatt
Verleih: über Glockenbachwerkstatt München
Bildnis eines Fußballfans war ein radikal einfacher Film, gedreht in einer Einstellung über 30 Minuten schwarz/weiß in 3:4, unterlegt mit dem O-Ton und den Off-Line aufgenommenen und zusammengeschnittenen Aussagen des Fans Peter L. Leider ist das Band nach einiger Zeit aus dem Bestand der Glockenbachwerkstatt verschwunden und seitdem verschollen. Geblieben ist eine Kritik von Margret Köhler und ein Foto des Fans, das aber in einem anderen Zusammenhang entstanden ist.
"Go, Sechzig go, go, Sechzig go“, schallt es über den Fußballplatz. Für den uninformierten Zuschauer im ersten Moment unverständlich. Dann kristallisiert sich die 'Geschichte' heraus: ein Fußballfan feuert ‚seine' Mannschaft 1860 München zum offensiven Spiel an. Während der nun folgenden 30 Minuten ändert sich die Einstellung kaum. Ein jugendlicher Fußballfan, der mit seinen 'Spezln' (Freunden) das Spiel auf dem grünen Rasen mit Engagement, Identifizierung und vehementen Gesten verfolgt. Fäuste fliegen durch die Luft, man 'geht', 'spielt' quasi mit. Im OFF die Stimme dieses Fußballfans, der erzählt, warum er seine Freizeit im Stadion verbringt, was ihn am Fußballsport so fasziniert, wieso ein echter Fan sich für seine Mannschaft einsetzen muss.
Mit 6 Jahren war er das erste Mal im Stadion, nun steht er regelmäßig am Wochenende im Einsatz. Sympathien für andere Mannschaften bleiben auf der Strecke. Wichtig für ihn ist, dass seine Mannschaft gewinnt, das Solidaritätsgefühl, das sich entwickelt, die Gemeinschaft. "In der Masse wenn's da was tust, da fällst nicht so auf". Die Bundesrepublik wird aus dem Blickwinkel des Lokalmatadors gesehen. Die „Spätzel-Fresser“, die „Preißn“ („die Preißn, die gibts ja überall, die kannst nicht mehr ausrotten, weil's so viele gibt!"), die Bielefelder, „wo mir aufgestiegen sind", die HSV-Anhänger ... sie alle bekommen eine „geduscht“, wenn's sein muss. Aber "randaliert" wird nicht, denn sein Fan-Club unterstützt die Aktion FAIRE FANS.
Wenn er seinen 'Haß' hat, bringt er die Aggressionen jedoch nicht auf dem Fußballfeld los, da ist er zu angespannt. Vielmehr 'duscht' er einem Preißn eine in der U-Bahn, oder - wie in Bielefeld - wird versehentlich mal eine Fensterscheibe eingeschlagen, durch die dann ein Anhänger der gegnerischen Mannschaft "fliegt". Das Fußballfeld spiegelt für ihn auch die gesellschaftlichen Gegebenheiten wider: "Schwach gegen Stark", nur die Stärkeren gewinnen!
Die 30 Minuten ohne Aktion - nur der Text im Hintergrund - halten in Spannung. Ein Betroffener spricht. Für den erwachsenen Zuschauer eröffnet sich eine Welt, zu der er kaum Zutritt hat, die kaum von außen einsehbar ist. Für Jugendliche gibt sich die Möglichkeit, von den Gedanken eines Gleichaltrigen ausgehend, die eigene (Freizeit)Situation und was dafür von offizieller Seite getan wird, kritisch zu reflektieren. (Margret Köhler in Medien und Erziehung, JG 24, Heft 1/1980, Seite 47)
Peter L. ist ca 2015 verstorben.