Die Arriflex Story 09

Die Arriflex IIB

Arriflex IIB
1960 Löst die Arriflex IIB die Arriflex IIA ab. Einen Unterschied kann man nicht ausmachen, denn eine Design-Veränderung der Lupentür – den chromglänzenden pollierten Rand – erhielt die Arriflex IIA schon im Jahr 1958. Der Motor zur Kamera soll wegen der häufigeren Verwendung der 120-m-Kassetten ein bißchen stärker sein und braucht eine Spannung von 12-16 Volt.
Neu sind 1960 eine weitere Zubehörpalette sowie Sondermodelle der Arriflex IIB. Die Arri IIBV hat eine von außen im Stillstand verstellbare Sektorenblende. Der Sektor läßt sich zwischen 0 und 165 Grad in 15-Grad-Schritten verändern. Dazu wird die Optik herausgenommen und an einem Drehknopf vor dem Daumenbügel der Sektor nach den Markierungen auf dem Spiegel eingestellt. Die Arriflex II HS läuft bis 80 Bilder pro Sekunde und hat einen Spezialhandgriffmotor für 32 Volt ohne Regulierwiederstand. Dieser wird separat geliefert, ebenso eine Tornisterbatterie für 32 Volt. Die High Speed Arri kann nicht mit verstellbarer Sektorenblende ausgerüstet werden. Inzwischen ist das Pilottonverfahren voll akzeptiert, und der ansetzbare Pilottongenerator wird ins reguläre Lieferprogramm aufgenommen.

Die Stummapparatur

Die Stummapparatur
Der Blimp 300 brachte zehn Minuten Laufzeit für die Arriflex. Da diese Erweiterung auch für die stumme Kamera von Vorteil sein konnte, baute man bei Arnold&Richter 1963 die Stummapparatur 300. Sie besteht aus einer Grundplatte mir drei Säulen. Zwei Säulen halten den Kassettenwickelmotor und die Kassette, die dritte Säule halt die verlängerte Sucherlupe. Die Kamera wird mit dem Getriebe auf die Grundplatte der Stummapparatur geschoben, genauso wie man sie sonst in den Blimp einsetzt. Die Verbindung zur Kassette stellt der bekannte Lederbalgen her. Komplett mit Vorderlicht und Film wiegt die Stummapparatur ca. 30kg.

Arriflex Einsatz beim Film im Film, "Tarnen und Täuschen"

Die Arri im Film
Die Arriflex 35 ist nicht nur für den Film sondern inzwischen auch im Film zu einem Begriff geworden. In Edgar Reitz „Heimat“ spielt sie eine Rolle, ebenso wie in Nicos Perakis autobiographischem Film „Tarnen und Täuschen“. 1966 geht Perakis von München, wo er an der Kunstakademie Bühnenbild studierte, nach Griechenland zurück, um dort seinen Militärdienst abzuleisten. Er wird zur Propaganda-Kompanie versetzt, die einen Fernsehsender der Streitkräfte aufbaut. Die Erlebnisse aus dieser Zeit schildert der Film, gedreht wurde natürlich mit einer Arri. Der Kameramann von damals steht bei Perakis`Spielfilm 1984 ebenfalls an der Kamera, diesmal einer Arri BL. „Tarnen und Täuschen“ ist in Deutschland nicht in den Verleih gekommen, wohl weil die Thematik hierzulande ohne realistischen Hintergrund ist. In Griechenland war der Film, drei Jahre nach Ende der Militärdiktatur, eine Abrechnung mit der Vergangenheit und ein großer Erfolg.

Die Arri im Verleihgeschäft
Einen Leihpark hat es bei der Firma Arnold&Richter schon sehr früh gegeben. In den 30er Jahren, noch vor Aufnahme der Arriflex-Produktion wurden dort Kameras von Debrie verliehen. Der Leihpark war später ein ganz wichtiges Testfeld für die eigenen Produkte.
Viele Verleihfirmen haben ganz klein mit einer Arriflex angefangen, wie beispielsweise der Kameramann Erich Onasch, der eine seiner beiden Arriflex an Kollegen verlieh. Auch G.F. Peters, Kameramann und 1952 erster Herausgeber der Zeitschrift Der deutsche Kameramann, hat mit dem Verleih einer Arriflex begonnen und dann die Firma Kamera 50 geleitet.
Kameramann Wendelin Sachtler führte mit seinem Partner Wolf neben der Herstellung filmtechnischer Geräte auch einen großen Leihpark. 1964 kostet eine Arri IIB mit drei Objektiven und drei Kassetten 25,- DM am Tag, 125 DM in der Woche und 450.- DM im Monat. Eine Arriflex im 300er Blimp mit fünf Objektiven und einem Zoom kostet 200,- DM am Tag, 1000,- in der Woche und 3600,- DM im Monat. Der bekannte Sachtler&Wolf Schwenkkopf ist natürlich auch für die Arriflex 35 entworfen worden. Als zum Kopf erstmals Metallbeine lieferbar sind, bittet Wendelin Sachtler den Freund und Kameramann Frank Peter Rohe zum Fototermin an den Starnberger See und macht eine der überzeugendsten Aufnahmen vom Arriflex-Einsatz.

Peter Rohe post mit der Arriflex IIC für ein Sachtler Werbefoto im Starnberger See

 

Die Arriflex IIC

Arri IIC
Ab 1958 verkauf die Firma Arnold&Richter anamorphotische Objektive für die Arriflex unter der Bezeichnung Ultrascope. Weil kein anderer Hersteller diese Objektive lieferte, stieg Arnold&Richter in die Produktion von CinemaScope-Objektiven ein. Es gibt sie in den Brennweiten von 40 bis 600mm. Für die Arriflex IIA wurde ein spezieller Lupendeckel entwickelt, in dessen Strahlengang sich ein Entzerrungslied für das anamorphotische Bild einschwenken ließ. Durch die stärkere Verwendung von CinemaScope und wegen der als Folge entstandenen Breitwandformate werden 1964 Veränderungen an der Arriflex vorgenommen. Um den unterschiedlichen Formaten gerecht zu werden, sind nun die Mattscheiben mit den unterschiedlichen Formateinzeichnungen vom Kameramann selbst leicht auswechselbar. Der Lupendeckel erhält grundsätzlich einen Kippverschluß zur nachträglichen Aufnahme eines Entzerrungsglieds. Der Lupenrohrdurchblick wird größer, und das Okular läßt sich abnehmen. Die Kamera trägt die Bezeichnung Arriflex IIC. Ab September 1968 wird die Arriflex IIC serienmäßig mit einer Stahlbajonettfassung ausgerüstet, die die Verwendung von bestimmten Zoom-Objektiven ohne zusätzliche Stütze erlaubt.

Jost Vacano demonstriert BVK Kollegen, wie er seine modifizierte Arriflex Kamera bei den Dreharbeiten zum Boot einsetzte

Arri IIIC
1980 dreht der Regisseur Wolfgang Petersen „Das Boot“, den Film zum Buch des ehemaligen Kriegsberichterstatters, Autors, Malers und Selbstpromotors Lothar-Günther Buchheim. Als Kameramann holt sich Petersen Jost Vacano, der mit dem Problem konfrontiert wird, in einer extrem engen Dekoration auf dem Bavaria-Gelände bewegte Aufnahmen machen zu müssen.
Die Arriflex IIC erzwingt mit ihrem starren Lupenrohr den geraden Einblick von hinten, und die Winkellupe aus dem 16-mm-Programm ist nur ein Behelf. Vacano wünscht sich den Lupendeckel der gerade erschienenen Arri III mit der schwenkbaren Sucherlupe an der kleineren IIC. Da er den Objektivrevolver nicht braucht, baut man den Lupendeckel der Arri III an eine Röntgenkamera an, stattet wie mit einer Umlaufblende und dem Getriebedeckel der IIC aus.

Arriflex IIIC, mit schwenkbarer Sucherlupe, PL-Fassung und Elektronikmotorhandgriff

Die Arriflex II angebaut an eine Röntgenanlage von Siemens

Die Röntgenkamera wurde seit 1964 als reduzierte Version der Arriflex II für medizinische Zwecke hauptsächlich an Philips und Siemens geliefert. Die Röntgenkamera war fest an Röntgenanlagen montiert und benötigte keine Suchereinrichtung. Kamera und Kassetten waren wie alle medizinischen Geräte weiß lackiert. An der für „Das Boot“ zusammengestellten Sonderkonstruktion befestigte Jost Vacano rotierende Kreisel zur Stabilisierung. Mit dieser Vorrichtung entstanden die Hand-Aufnahmen zum „Boot“. Bei Arnold&Richter entschloß man sich dann zu einer Neuauflage der Arriflex IIC. Die Kamera erhielt die Lupentür der Arriflex III, die PL-Fassung für die neuen Objektive und einen Quarzmotor. Am Filmtransport wurde nichts verändert. Die neue „Kleine“ – auf weitere Verbesserungen hat man wohl verzichtet, um der IIIer keine Konkurrenz zu machen – fand keinen größeren Markt und wird nicht mehr propagiert. Sie ist der IIC zu ähnlich und eine gut erhaltene Arriflex IIC findet sich zu günstigen Preisen überall.

Die Zubehörlieferanten
München verdankt seine Stellung als Zentrum der Filmtechnik hauptsächlich der Arriflex. Helmut Krausser (Verleih, Vertretung), Ernst Riedl (Blimps, Sonnenblenden) Alfred Chrosziel (Schärfenzieheinrichtungen, Kompendien) und Peter Denz (Videoassistenten, PL-Hardfront) waren ehemalige Arri-Mitarbeiter. Gerhard Fromm begann mit der Herstellung einer Actionkassette für die IIC und Georg Thoma entwickelte für die Kamera einen Quarzmotor. Das Zubehör zur Arriflex-Kamera ist äußerst umfangreich. Auch im Ausland. Die Amerikanische Cinema Products baute einen Quarzmotor und ein Umlenkgetriebe und adaptierte 1976 die Arriflex fürs Steadicam. Die italienische Technovision, inzwischen mit eigener Studiokamera, bietet eine Reihe von Umbaumöglichkeiten wie Hardfront, Mitchell-Lupentür und Schärfenziehvorrichtung. Mit dem Einzelbildmotor der Firma Kindervater wurde der Arri schon in den fünfziger Jahren der Trickbereich erschlossen. Allerdings nur in beschränktem Umfang, denn die Spiegelblende schließt nicht lichtdicht, so das später ein Zusatzverschluß als Vorsatz zum Objektiv mit ins Lieferprogramm aufgenommen wird. Arnold&Richters stärkster Mitbewerber im professionellen Kamerageschäft, der amerikanische Hersteller und Verleiher Panavision, hat die Arriflex 35 für die eigenen Zwecke als Handkamera hergenommen. Die Panarri ist eine für Panavision adaptierte Arriflex IIC beziehungsweise III.

Der Oscar
Zweimal hat die Arriflex 35 einen Oscar erhalten. Am 10 April 1967 nahm Dr. Robert Richter den technischen Oscar für die Konstruktion und Fertigung der Kamera entgegen. Immerhin war zu diesem Zeitpunkt die Kamera schon 30 Jahre alt und gerade auf dem Höhepunkt ihres Erfolges. 1983 ehrte dann die Akademie die Kameramacher persönlich. August Arnold, er war kurz vorher gestorben, und Erich Kästner wurde der Oscar 1.Klasse verliehen. In Amerika werden die Leistungen der Techniker besonders hoch gewertet. Panavision ließ es sich nicht nehmen, Erich Kästner in einer großen Anzeige im „American Cinematographer“ zu gratulieren.

Arri Chefkonstrukteur Erich Kästner 1983 mit dem Oscar 1. Klasse

Zum Teil 10 der Arriflex Story