Helmut K. Ammon

29. November 2013

Helmut Ammon wurde am 6. August 1928 in München geboren und wohnte mit den Eltern in der Nähe der Theresienwiese. Nach der Oberschule studiert er am Institut für Bildjournalismus bei Hans Schreiner und kommt dann zur Bavaria Filmkunst. Jahrelang arbeitet er als Kameramann für amerikanische Fernsehanstalten und ist als Korrespondent in Afrika, im nahen und fernen Osten unterwegs. Von Josef Papst übernimmt er in Lohhof bei München eine feinmechanische Werkstatt, die er mit Horst Hartel, einem ehemaligen Zeiss Mitarbeiter betreibt. Das Aufgabengebiet kann man neben dem Service für filmtechnische Geräte als kinematografische Sonderanfertigungen beschreiben. Bei Ammon Kinetechnik wird auch ein eigener Tricktisch gebaut.

1964 zieht die Firma in das alte Pfarrhaus in Neufahrn um. Auf dem Grundstück entsteht ein Garagenbau, der als Studio eingerichtet wird. Im ersten Stock des Hauses baut Helmut Ammon eine komplette Nachbearbeitung mit Perfoläufern, Filmabtaster und Mischstudio auf. Im Studio werden viele Trickfilme gedreht.

Haupteingang des Pfarrhauses

In den 70er Jahren wird Ammon mit dem Aufbau des Fernsehens im Sultanat Oman beauftragt. Siemens liefert die Technik und Helmut Ammon bildet mit seinen Mitarbeitern Omanis zu Fernseh Redakteuren und Technikern aus. Er unterrichtet auch immer wieder Studenten der Montana State University for Cinematography and TV in den USA. Schon in den 50er Jahren beginnt er mit der Sammlung von Kameras und Arbeitsgeräten der Filmproduktion. So entsteht eine der umfangreichsten Sammlungen filmtechnischer Geräte in Europa. Fernziel der Sammlungstätigkeit war das Einrichten eines Kino Museums in München, das Geräte in typischen Arbeitssituationen präsentiert. Als Sammler war Helmut Ammon nicht an unversehrten Neugeräten interessiert. Man sollte der Technik ihren Gebrauch ansehen. Aber die Geräte mussten möglichst komplett mit allem notwendigen Zubehör vorhanden sein und sie mussten funktionieren. In den letzten Jahren hat Helmut Ammon mit seinen historischen Geräten auch Filme ausgestattet. So zum Beispiel die amerikanische Produktion „Shadow of the vampire“ (USA2000), in der John Malkovich Friedrich Murnau spielt und dabei eine Kamera von Helmut Ammon benutzt. Mit Leihgaben hat er immer wieder Ausstellungen und Retrospektiven unterstützt, unter anderem zum Bergfilm, zu Murnau, zu Helmut Fanck und zu 100 Jahre Film im Deutschen Museum.

 Helmut Ammon mit einem Kistenstapel einer Debrie Super Parvo Ausrüstung, daneben ein Vinten Kamerakran

Stiftungsgedanke

Helmut Ammons Sammlung war gedanklich schon frühzeitig sozialisiert und sollte in Form einer Stiftung und als Museum möglichst vielen zugänglich sein. Diese Absicht hat er immer wieder geäußert und sie findet sich auch in vielen Publikationen über Helmut Ammon, so auch im „Who ist Who in Foto Film TV“ von 1979 (Verlag für Prominenten-Enzyklopädien 8030 Zürich) und in der Titelgeschichte des Film&TV Kameramanns vom November 1978. Wie bei allen Sammlungen, die ein bestimmte kritische Masse überschritten haben, stellt sich ein natürlicher Zuwachs ein. Viele Kollegen aus der Filmbranche haben technische Artefakte für das zukünftige Kinomuseum gestiftet. Helmut Ammon hatte für diese Idee eine Reihe von Unterstützern, die ihm bei allerlei Arbeiten zur Hand gegangen sind. Das Kinomuseum war eine Zukunftsvision und ein Gemeinschaftsprojekt in das viel Arbeit und viel Herzblut geflossen ist. Florian Granderath hat in mühseliger Kleinarbeit mit Helmut Ammon das Inventar erfasst und eine umfangreiche Liste aller vorhandenen Teile aufgestellt. Ich habe bei einem letzten Treffen am 28. Oktober 2010 mit Helmut Ammon unter anderem über die Zukunft der Sammlung gesprochen und nur erfahren, daß er alles geregelt habe. Am 29. November 2010 ist Helmut Ammon im Alter von 82 Jahren bei Freunden auf dem Sofa ganz plötzlich gestorben.

 Hellmut Ammon an seinem Schreibtisch

Zerschlagung der Sammlung

Der zweite Schock nach der Todesnachricht war die Erbreglung, in die man als Außenstehender und nicht Erbberechtigter keinen Einblick nehmen kann. Helmut hatte keine Geschwister und war auch nicht verheiratet. Seine Lebensgefährtin Lotte war schon 1984 verstorben. Allen besprochenen Zukunftsregelungen zum Trotz hatte Helmut Ammon keine Stiftung eingerichtet und auch nicht dokumentiert nachvollziehbar festgelegt, wie mit der Sammlung zu verfahren sei. Erbbegünstigt war ein junges Paar, daß er erst kurz vorher kennengelernt hatte. Wie auch immer, plötzlich gehörte „unser Museum“ mit aller Arbeit und allen Spenden Leuten, die wir nicht einmal kannten und die keinerlei Kenntnis von der Materie hatten. Bei der Beerdigung - besser beim Trauergottesdienst für Helmut Ammon standen da zwei Fremde, die mit Beschwichtigungen vorgaben, im Sinne von Helmut mit der Hinterlassenschaft zu verfahren. Wie immer es bei Helmut Ammon zu dieser Entscheidung gekommen ist, auf die Tatsachen hin haben sich alle Mitstreiter für das Kinomuseum München zurückgezogen. Die Erbbegünstigten haben dann, in aller Stille ohne irgendeine Information an Helmuts Bekanntenkreis 242 Kernstücke der Sammlung in eine Auktion gegeben, weit unter Wert verkauft und 241.055 € eingenommen. Das Grundstück mit dem alten Pfarrhaus von Neufahrn war von so großem Wert, daß neben der Erbschaftssteuer der Fortbestand der Sammlung hätte gesichert werden können, und genau dies wäre ganz im Sinne von Helmut Ammon gewesen. Leider haben die Erben die Sammlung verkauft, um für sich das Haus zu retten und damit war das Ende der Sammlung besiegelt. Trauerfeier am 21. Januar 2011

Was übrig blieb

Alles was ich persönlich zur Sammlung beigesteuert habe, ist weg, auch mental, und ich habe mich auch nicht mehr darum bemüht. Davon sind auch Videoaufnahmen betroffen, die ich von Helmut Ammon gemacht habe. Er hatte sie im Museum archiviert. Als Erinnerungsstück an Helmut Ammon wollte ich aus den Restbeständen der Sammlung, nach dem ich von dem Verkauf der meisten Stücke erfahren hatte, eine Kamera erwerben. Das ist mir leider nicht geglückt, weil genau diese Kamera von den Erben für eine Erinnerungsecke im nun geleerten Hause Ammon benötigt wird. 2017/2018 haben die Erben das Pfarrhaus-Grundstück (von 4 bis 6 Millionen ist die Rede) an einen Bauträger verkauft.

Das leerstehende Pfarrhaus Ende Oktober 2018

Rekonstruktion

Helmut Ammon war ein Freund und Ratgeber, den ich seit 30 Jahren kannte und für dessen Idee eines Kinomuseums wir die letzten 10 Jahre vor seinem Tod intensiver zusammenarbeiteten. Wenn man im Internet nach seinem Namen oder seinen Filmen sucht, dann findet man kaum etwas, weil das Netz sich zwar alles merken kann, das aber erst seit den 90er Jahren, als es richtig anfing zu funktionieren. Alles was davor geschehen ist, ist nicht existent, es sei denn, jemand macht sich die Mühe und bereitet es auf. Das will ich hier gemeinsam mit Florian Granderath tun, und wir wollen etwas von der Sammlung rekonstruieren.

 

Der Olympia Film 1972

 

Am 20. September 1972 erschien der Deutsche Kameramann mit diesem Foto als Titelbild: Olympiade Einsatz der Arriflex 35 BL während der Dreharbeiten für den offiziellen Olympia-Film. Unser Foto zeigt Kameramann Helmut Ammon und seinen Assistenten Karl Schmitt während des Damen-Florett-Fechtens.

Helmut Ammon:    Olympische Prüfung für die Arriflex 35 BL   
Die Firma Arnold und Richter stellte für den Einsatz während der Olympiade 1972 erstmals fünf 35mm BL-Kameras für Aufnahmen des von der Wolper-Produktion in Zusammenarbeit mit der Bavaria produzierten offiziellen Olympiafilmes zur Verfügung.
Von den 36 Kameramännern, die zum ständigen Kamera-Stab bei Wolper gehörten, wurden von dem „Olympia“-erfahrenen Arri-Spezialisten Willi Zeintl die fünf Kameramänner Jürgen Gorter, Dieter Gaebler, Atze Glanert, Helmut Ammon und Gordon Meagher mit ihren Assistenten Reiner Teumer, Stefan Fricke, Karl Kases, Karl Schmitt und Georg Kleinort mit der Bedienung der Kamera vertraut gemacht. Der Einsatz dieser ja nun schon viele Jahre erwarteten Kamera erbrachte bei fast 16- bis 17stündigen täglichen Arbeitseinsätzen und verschiedenartigsten Bedingungen sowie bei der Verwendung als High-Speed-Kamera bis 100 Bilder pro Sekunde im großen und ganzen von Seiten der Kameraleute befriedigende Urteile. Nur Dieter Gaebler bat nach einigem Pech mit den 35 BL-Kassetten, die ihn in den wichtigsten Sequenzen des 100 m-Laufes für den Regisseur Ichikawa im Stich gelassen hatten, wieder mit einer altgewohnten Arri 35 Normal ausgerüstet zu werden. Seinem Wunsche konnte leider nicht entsprochen werden, da in München keine 35er mehr aufzutreiben war. Zwischenzeitlich hat er sich dann jedoch, wie er selbst sagte, an die BL 35 gewöhnt und ist voll zufrieden gewesen.
Für die fünf Kamerateams erwies sich alsbald der Besitz und die Erfahrung in der Bedienung dieser Kamera als Bumerang; denn die Regisseure Michael Pfleghar, Claude Lelouch und Arthur Penn erkannten sehr schnell die bestechenden Vorteile dieser Kamera, und von da ab gab es für die fünf Teams nur noch wenig Zeit zum Ausruhen. Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang der Einsatz fast rund um die Uhr, den die beiden Arri-Service-Mitarbeiter Neumann und Kneissl absolvierten, um jederzeit den Kameramännern zur Verfügung zu stehen.
Um ein Fazit aus den Olympia-Erfahrungen mit der Arriflex 35 BL bei täglichem Verbrauch von 8 000 bis 10 000 Meter Eastman Color Negativ 5254 zu ziehen: es dürfte gelungen sein, eine 35 BL-Kamera zu kreieren, die volle Zustimmung jedes Kamerateam-Mitgliedes auch bei der Spielfilmherstellung finden wird. Von der hervorragenden Mechanik des Doppelsperr- und Transportgreifersystems, des Antriebmotors und der Filmführung in der Kamera (die einen hervorragenden, in jeder Hinsicht tadellosen Bildstand bei Bildzahlen zwischen 12 und 100 per Sekunde jederzeit gewährleistet) kann man nur Bestes berichten. Eine Gefahr für die Beschädigung der Kassetten-Schlaufen beim Einlegen in die Kamera, besonders bei schnellem Einsatz und Kassettenwechsel im Handbetrieb, also nicht vom Stativ, ist leider gegeben und sollte wegen vieler anderer Vorteile in Kauf genommen werden. Eine Sicherheit, wie wir sie bei einem derartigen Arbeitseinsatz unter schwierigsten Bedingungen mit der Arri 35 Normal gewohnt sind, wird sich nicht erreichen lassen, und man sollte daher mit viel Routine sich daran gewöhnen, und die BL 35 in dieser Hinsicht nicht mit der 35 Normal vergleichen wollen.
An den Doppelkassetten selbst sollte mit einigen Verbesserungen ein ebenso perfekter Lauf wie in der Mechanik zu erreichen versucht werden. V- und R-Betrieb, der bis jetzt noch nicht möglich ist, sollte erreicht werden. Und vielleicht  auch die Möglichkeit, insbesondere für die High-Speed-Arbeiten 300 Meter-Kassetten ansetzen zu können. Vor allem müßte die Voraussetzung geschaffen werden, daß dem Assistenten im Dunkelsack auch im fahrenden Aufnahmewagen etc. ein absolut einwandfreies und schnelles Filmeinlegen möglich ist.
Sehr im Argen steht es noch mit der Elektronik in dieser Kamera, und zwar was Startmarkierung, Synchronlaufanzeige und Pilottongeber anbetrifft, so daß man nur dank der Quarzsteuerung als Nothelfer oftmals weiterarbeiten konnte. Die Umschaltmöglichkeit vom quarzgesteuerten Normallauf auf Schnelllauf funktioniert einwandfrei.
Da die Kamera von Werksseite auch als Handkamera (12 kg Gewicht mit Kassette und Optik) gedacht ist, sollte man bei der Objektivblimp-Einrichtung, die bis jetzt für Objektive der Brennweiten 16-85mm möglich ist, auf die Blendenbänder verzichten und anstelle dieser versuchen, Sichtfenster in den Objektivblimp einzubauen.
Als gelungen und endlich einmal auf einfache, aber gute Weise gelöste Stützbrücke kann man die Aufhängung für das Zoom. Angenieux 25-250 bezeichnen. Hier sollte man jedoch die Handgriffhalterung mit dem Auslöser kompakter und betriebssicherer gestalten.
Als unzureichend hat sich die Rückstellung des im Kameragehäuse eingebauten Meter- oder Feet-Zählwerkes herausgestellt. Da sollte man trotz Platzmangels etwas Funktionierendes einbauen oder ganz darauf verzichten.
Kabel und Einrichtungen für Schnellauf sollten bei beweglichem Außenbetrieb etwas länger und unter umständen flexibel sein, damit – da man ja bei Schnellauf auf 3 Akkus angewiesen ist – mehr Bewegungsfreiheit für den Kameramann und Assistent gegeben ist. Vielleicht ließen sich Potentiometer und Schalteinrichtung in einem Kästchen unterbringen. Als hervorragend ist das Suchersystem zu bezeichnen. Bis jetzt gibt es meines Wissens noch keine Kamera mit einem derartig hellen, großen und feinkörnigen Sucherbild, was vor allem Kollegen erfreuen wird, die mit extrem langen Brennweiten unter schlechten Lichtverhältnissen zu arbeiten gezwungen sind. Ein unschlagbarer Vorteil für alle, die mit ihren Geräten viel unterwegs sind (vor allem in Flugzeugen usw.) ist es, dass man seine ganze Ausrüstung in fünf Alukoffern unterbringen kann, also auf kleinstem Raum und daher auch mit minimalstem Gewicht.
Abschließend möchte ich sagen, dass das Arbeiten im Innen- wie im Außenbetrieb mit dieser Kamera einen echten Kamermann nur begeistern kann und dass, wenn in absehbarer Zeit die bei diesen Testarbeiten unter extremen Bedingungen aufgetretenen Schwächen behoben sind, dem Regisseur und Kameramann ein auf dem 35er Gebiet zukunftsweisendes Handwerkszeug von Arnold und Richter gegeben worden ist.

 

Kameras erzählen ihre Geschichte

Den folgenden Text hat mir Helmut Ammon zur Bearbeitung gegeben, um das Kinomuseum vorzustellen. Er beschreibt in Art eines Drehbuchs sehr gut, wie sich Helmut selbst gesehen hat: 

In Neufahrn bei München, in einem alten Pfarrhaus, lebt der Kameramann, Weltenbummler und Individualist Helmut Ammon. Der joviale Oberbayer – 1928 geboren - ist filmisches Urgestein und Sammler aus Leidenschaft. Ein Perpetuum mobile, dem sein fortgeschrittenes Alter ebenso wenig auszumachen scheint, wie das seiner „Kinder“, über die er uns erzählen wird.

Ort der Handlung: Ein ehemaliges Pfarrhaus mit 27 Räumen auf 4 Etagen, einer Remise und einer Großgarage.

Das parkähnliche 4000qm große Grundstück mit wunderschönem alten Baumbestand erinnert eher an Old England, als an Bayern. Nichts sieht gewollt aus. Alter Baumbestand bestehend aus Eiben, Buchs und Fichten, ein rustikaler Steinbrunnen inmitten weitläufig hügeligen Rasenflächen. Die dem Garten zugewandte Seite des Hauses mit einer Hochterrasse im Viktorianischen Stil vermittelt dem Besucher eine Atmosphäre, die an „Rosamunde Pilchers“ Trivialliteratur gehobenen Niveaus erinnert. Hier ließe sich trefflich Shakespeare inszenieren, was wir auch in einem Kamera- und Beleuchtungsworkshop tun wollen.

Die dem Norden zugewandte Seite des Hauses dagegen gibt sich unnahbar, düster, einer Festung gleich. Hohe Ligusterhecken schirmen das Grundstück nach außen ab. Hinter einem schweren, zweiflügeligem Eisentor führt eine lange Einfahrt hin zu einer Garage, hinter deren mächtigen Rolltoren man den Standort der freiwilligen Feuerwehr des Ortes vermuten könnte.

Das Haus einmal betreten, gerät der Besucher alsbald in einen Wandel verschiedener Epochen und Kulturen. Traditionelles macht den Anfang. Neben Bauernmöbeln aus dem Chiemgau, gibt es reich bemalte Irschenberger Betten und Truhen aus dem 18. Jahrhundert. Nahezu unvermittelt befindet man sich in den arabischen Emiraten, unterbrochen wiederum von türkischen Stilrichtungen. Der Spaziergang durch die Innenarchitektur des Hauses führt schließlich durch Tibet und endet in einer selbstgebauten Küche mit postmodernen Elementen. Der Hausherr legt vor allem Wert auf perfekt funktionierende Auszüge und Schübe der Küchenmöbel. Da die einschlägige Möbelindustrie dies in der geforderten Perfektion nicht bot, baute er sich gleich die ganze Küche selbst.

So sieht es also aus, das Kuriositätenkabinett eines unermüdlich Reisenden in Sachen Film, dessen Lebensphilosophie aber, und vor allem, im Sammeln jeglicher Geräte der Kinematografie besteht.

Mit offenem Mund steht der Gast im Living Room zunächst vor einem geordneten Chaos von Fotokameras und Filmliteratur, beginnend um etwa 1895 bis ca. 1960. Dann beginnt die eigentliche Führung.

Sämtliche Filmkameras, auch die sogenannten Exoten, Eigenbauten also aus aller Herren Länder, stehen dichtgedrängt in Glasvitrinen. Auf schweren Stativen dagegen fordern die „Elefanten“ der Filmgeschichte die ganze Aufmerksamkeit des Betrachters. Kameras der Fabrikate Cinephon Prag, Pathe, Ernemann, Eclair, Arriflex, Debire, Askania, Bell&Howell, Mitchell, um nur einige von ihnen zu nennen, lassen dem Besucher kaum Raum sich durch die verschiedenen Epochen der Kinotechnik zu bewegen. Der alte Eichenboden biegt sich ebenso unter der zentnerschweren Last, wie auch die ehernen Fachböden der Industrieregale unter dem darin aufgestapelten Zubehör.

Nach dem kurzen Rundgang scheint es einem mittlerweile nur allzu selbstverständlich, daß alles komplett sein muß. Zu jeder Kamera gibt es also die entsprechenden Objektivsätze, Filter, Schwenkköpfe und Stative, sowie eine lückenlose Vita. Doch damit nicht genug!

Filmentwicklungs- und Kopiermaschinen, eine optische Bank, Perfoläufer, Lichttonmaschinen, Schneidetische, Stativköcher, Kamerakoffer und eine Unzahl von Kleingeräten, Scheinwerfer von 25 Watt bis 20 KW, Mikrofone und kinematografischer Krimskrams füllen jeden Quadratmeter der einzelnen Räume und zwingen selbst einen schlanken Bewunderer dieser Kostbarkeiten zu einem eleganten Slalomlauf, um Stück für Stück aus der Nähe besichtigen zu können. Kästen mit allen metrischen Schrauben und Muttern, wohlgeordnet, Spezialwerkzeug, Prüfgeräte für Röhren, Akkus, Ladegeräte, Messtechnik erinnern an die Wartung eines Formel 1 Rennstalls. So wie Charlie Chaplin an keinem seiner Kontrahenten vorbeigehen konnte, ohne diesem eins mit dem Stiefelabsatz mitzugeben, erlaubt sich der konservative Ammon ebenso „en Passant“ einen kleinen Ausflug in die Fernsehgeschichte der frühen 50er Jahre.

E-Kameras, Monitore, sogar der erste Filmabtaster, den er mit konstruierte, fehlt nicht. Der Exkurs endet aber ziemlich abrupt dort, wo Ammons Einflußsphäre technischer Entwicklungen für das neue Medium ihre Grenzen erreichte. Mit der profanen Welt der Fernsehelektronik und deren allzu rascher innovativer Weiterentwicklung mochte sich Ammon gar nicht erst anfreunden. Die Materie filmischen Schaffens muss greifbar für ihn sein und bleiben, das belichtete Material mit bloßem Auge sichtbar, die Emulsionen spürbar deutlich werden.

In einem anderen Raum dann die Filmwiedergabe. Angefangen vom Wanderkino der 20iger Jahre, bis hin zu den vergleichsweise modernen Vorführmaschinen von Ernemann und Bauer, die auch heute noch in kleineren Theatern ihren Dienst klaglos verrichten. Alle Formate der Projektionstechnik sind vertreten. Ob 8, 16, 35 oder 70mm ein oder zweistreifig.

In der Tat beginnt man irgendwann den Überblick zu verlieren über 50 Jahre Filmgeschichte dicht auf dicht, wäre da nicht der unermüdliche Ammon, dessen Bestandsaufnahme lückenlos in seinem Gehirn gespeichert und jederzeit abrufbar scheint. Wie zufällig ranken sich um fast jedes „der guten Stücke“ Anekdoten, die der launige Ammon gerne zum besten gibt. Dann beginnen seine Augen listig zu leuchten, die Kameras nehmen fast menschliche Gestalt an, wenn er mit verschmitztem Lächeln deren und sein bewegtes Leben Revue passieren lässt.

Nicht wenige dieser Kameras sind Ammons Kinder, die ihn ein gutes Stück beruflichen Weges begleitet haben. Eigene hat er mutmaßlich nicht, dafür blieb ihm einfach keine Zeit. Seine 1984 verstorbene Frau Lore bekam den Filmbesessenen oft jahrelang nicht zu Gesicht. Helmut Ammon und seine Kameras sind untrennbar miteinander verbunden. Die Allianz hat viel erlebt. Im Focus waren Krieg und Frieden, ferne Länder, Abenteuer, Aktion, Liebe, Leidenschaft und Eifersucht. Der rustikale Bayer ist einer der wenigen, die auch mit wirklichen Stars in Hollywood arbeiten durften. Mir Gloria Swanson zum Beispiel. Ammon genießt als Kameramann einen ebensolchen internationalen Ruf, wie der legendäre Luggi Waldleitner, den sogar die Monroe „very charming“ fand. So ganz nebenbei unterrichtet der Kosmopolit Ammon Filmstudenten im Oman. Dazu gehört fließendes Arabisch, das er ebenso beherrscht, wie sein grammatikalisch zwar perfektes, aber im Duktus doch sehr stark gefärbtes, bajuwarisches Englisch. Heute noch unterrichtet er Filmstudenten aus Amerika. Und einige von ihnen machen gerade große Karriere, wie er stolz berichtet.

Florian Granderath neben einer Akeley 35mm Kamera  (3 Farbfotos Florian Granderath)

 

Â