Gerhard Fromm

 

Gerhard Fromm…. ich würde wieder versuchen, Kameramann zu werden

Der Kameramann Gerhard Fromm * 08. März 1932 ist den Lesern des Film&TV Kameramanns durch viele Artikel und vor allem die „Technischen Sammelblätter“ wohl bekannt, und er hat stolze 50 Jahre Berufserfahrung. Seine Tätigkeit reichte vom Spielfilm über viele Fernsehfilme und - Serien, umfangreiche Dokumentationen bis hin zu Werbefilmen. Schon frühzeitig begann er mit selbstgebastelten Unterwasser-Gehäusen zu experimentieren und so sein Hobby in den Beruf einzubeziehen. Später konnte er auch viele Helikopter-Aufnahmen drehen. Interessante Reisen brachten ihn nach Afrika, Brasilien, USA und einige tausend Kilometer durch Europa.

In seiner 1972 gegründeten Firma konnten viele Geräte für die Filmindustrie entwickelt werden. Heute ist Fromm als Dozent an verschiednen Filmhochschulen tätig. Aus Anlass seines 75sten Geburtstages hat unser Mitarbeiter Hans Albrecht Lusznat diese Interview geführt. (Film&TV Kameramann Heft4/2007)

  

Wo hast Du Deine Kindheit und Schulzeit verbracht?

Ich bin in Berlin geboren, in Karlshorst. Mein Vater war Kaufmann und hatte eine Kaffee-Großrösterei und einen Kolonialwaren-Laden. Die Schulzeit habe ich zum größten Teil im KLV-Lager verbracht, das war die Kinderlandverschickung; so wurden wir aus Berlin ferngehalten, wo es zu viele Bombenangriffe gab. Zunächst waren wir an der Ostsee, aber als die Engländer anfingen Peenemünde zu bombardieren sollten wir mit der Schule in die Tschechei umziehen, was mein Vater nicht wollte. So bin ich zu Verwandten nach Ostpreußen gekommen, dann - als die Russen vorrückten - wieder zurück nach Berlin, wo kein Unterricht mehr stattfand. Dann kam ich nach Soldin, östlich der Oder. Da haben wir dann den letzten Zug nach Berlin erwischt, bevor die Russen kamen und von dort wurde die Schule nach Aufhausen bei Regensburg evakuiert, wo ich dann das Kriegsende erlebte.

Weil die Amerikaner den Gasthof in dem wir wohnten requiriert hatten, wurden wir auf die Bauern verteilt und mussten als Knechte arbeiten (ich war damals 13 !). Die Bauern hatten nämlich niemanden mehr, weil die Kriegsgefangenen nach Hause geschickt worden waren. Wir wurden aufgenommen, bekamen gutes Essen - aber kein Geld und mussten arbeiten wie ein Knecht. Morgens vor dem Frühstück Klee machen für die Kühe, Disteln stechen oder pflügen mit Ochs´ und Pferd. Das habe ich alles durchgemacht. Irgendwann bin ich dann wieder nach Berlin zurückgekommen.

 

Hast Du dann die Schulzeit in Berlin fertig gemacht?

Ja, natürlich wieder in einer neuen Schule. Mein Vater konnte dann das Schulgeld nicht mehr bezahlen, deshalb habe ich die mittlere Reife nicht gemacht. Ich musste in seinem Laden (seine Firma wurde zwei Mal total ausgebombt und war nach dem Krieg nur eine kleine Klitsche) Kaufmann lernen und weil mir das überhaupt nicht passte, habe ich wie ein Verrückter gelernt und konnte die Prüfung ein halbes Jahr früher ablegen. Zu dieser Zeit hatte ich angefangen, mit einer Plattenkamera zu fotografieren. Ich kannte mich mit allen Kameras aus (nur theoretisch!) und obwohl ich nur ein Amateur war, habe ich mich bei einem Fotoladen beworben und wurde genommen. Ich war dann Fachverkäufer und hatte Prokura. Eines Tages kam eine Kundin, die einen Kleinbildfilm fürs Wochenende kaufte und dabei erzählte, daß im Kopierwerk der DEFA Leute zu Farbfotolaboranten ausgebildet wurden. Da der Chef im Fotoladen nicht viel älter war als ich, waren meine Aufstiegschancen gering. So habe ich gekündigt und bin für einen Bruchteil meines damaligen Gehalts zum DEFA-Kopierwerk (in der ehemaligen Kodak - Filmfabrik in Köpenick) gegangen und habe da mit einem Stundenlohn von 1,25 Mark angefangen. Das gab natürlich bei den Eltern Panik, aber ich habe mich durchgesetzt. Bei de DEFA habe ich alle Kurse gemacht die es gab, Farbfotolaborant, Filmtechniker und Filmvorführer, was ja noch ein richtiger Ausbildungsberuf war. Ich war dann Lichtbestimmer und stieß bald an Grenzen und sollte in Parteisachen hineingezogen werden. Ich bin dann mit dem Motorrad 1956 nach München gefahren, habe mich bei der Bavaria vorgestellt, wo ein Kollege von mir schon untergekommen war und bekam den Tipp es bei Arri zu versuchen, weil die gerade mit einem Farbkopierwerk anfingen. Arri hat mich als Lichtbestimmer eingestellt. 1957 bin ich nach München übersiedelt. Nach ungefähr einem Jahr im Kopierwerk kam der Kameramann Ernst Ritter von Theumer Sen., der gerade seinen ersten Farbfilm ( „Inshalla“  R: Carl Möhner 1962) vorbereitete. Er hat mir angeboten, dass er mich zum Kameraassistenten ausbildet, wenn ich ihm ein bisschen auf die Finger schaue mit der Farbe. Mit ihm habe ichdann in der Türkei diesen Spielfilm als Assistent gedreht. Wir haben gesehen, dass die Türkei ein sehr schönes Land ist und Theumer hat dann angefangen, dort Kultur- und Fremdenverkehrsfilme zu drehen und wir haben unter anderem auch geholfen, in Istanbul eine Filmproduktion aufzubauen.

 

Mit welchen Kameraleuten hast Du noch zusammengearbeitet?

Wichtig war Ernst Wild, der mich oft mitgenommen hat, als ich noch ganz junger Assistent war. Wir haben Werbung gemacht und auch bei der Bavaria große Shows aufgenommen. Und dann bin ich durch einen Zufall zum Wolf Schneider geraten der einige TV- Serie gemacht hatte und ein gut beschäftigter Kameramann war. Wir haben dann die vielen Pfleghar Shows gemacht, da war ich einige Jahre fast täglich in der Bavaria. Als die EC-Kameras eingeführt wurden konnte ich als Schwenker bei der Bavaria mit unterschiedlichen Kameraleuten arbeiten.

Das wurde alles auf Film aufgenommen auf 35mm mit der Elektronikcam Anlage. Die bestand aus drei Arri 300erter Blimps mit angesetzter Videoausspiegelung. DerRegisseur saß mit einer Bildmischerin an einem Regiepult, hatte Monitore für alle Kameras und einen großen Vorschaumonitor für das geschnittene Bild. Man konnte die Kameras vorstarten und wenn dann umgeschnitten wurde, ging in der jeweiligen Kamera neben dem Bildfenster ein Licht an und belichtete auf der Tonspur einen Streifen auf. Später konnte man die Filmstücke aneinanderhängen und durch den Streifen blieb alles zum separaten Ton synchron. Mit dieser Apparatur wurden auch die ganzen Karajan Konzerte mit drei Kameras synchron gedreht. Die Assistenten mussten auch manchmal mitten in der Aufnahme Kassetten wechseln, lautlos, damit das nicht auf dem Ton drauf war.

Ein wichtiger Film als Schwenker bei Heinz Hölscher war „Onkel Toms Hütte“ (Regie: Geza von Radvanyi) der mit 65mm MCS-Kameras gedreht wurde und als 70mm Kopie in die Kinos kam. Auch der Musikfilm „Der Kongress amüsiert sich“ mit dem gleichen Regisseur wurde in MCS-Technik verwirklicht. Als Assistent habe ich mit Sven Nykvist - den ich sehr verehre - einen schönen Film gemacht  „Schneewittchen und die sieben Gaukler“ (Regie: Kurt Hoffmann).  Sven war ein Traum von Kameramann, wie ich es vorher noch nicht erlebt hatte. Der Sven Nykvist hatte seine Beleuchter im Griff, die sind für ihn durchs Feuer gegangen. Wenn Kurt Hoffmann - der Regisseur - die Proben machte, ist der Sven schon immer hinterhergelaufen und hat den Beleuchtern Zeichen gegeben und die wussten immer an Hand der Zeichen, was er verändert haben wollte. Wenn dann die zweite Probe zu Ende war, hat der Hoffmann gesagt: „Sven your turn“. Dann hat der Sven seine Eieruhr genommen, istnoch einmal durch das Set gegangen, hat manchmal eine Kleinigkeit korrigiert und war drehfertig. Er war die Ruhe in Person, es gab keine Hektik, ein Ablauf, wie man ihn sich nicht schöner träumen kann. Ich bedaure sehr, dass Sven später so krank war und jetzt gestorben ist. Er war mein großes, unerreichbares Vorbild, würde ich sagen.

 

Hatte der eine besondere Art zu fotografieren?

Ja, er konnte mit Licht spielen und hat ja auch die ganzen Bergman-Filme gemacht. Er war da unheimlich begabt. BevorBergman einen Film anfing, ist Sven mit ihm auf Motivsuche gegangen und hat mit seiner Leica die Original-Lichtstimmungen fotografiert. Manchmal ist er viermal in eine Kirche gegangen, morgens, mittags, abends und wahrscheinlich auch noch nachts, hat die Stimmung aufgenommen und hat es dann auch mit dem Licht setzten können. Sven hat ja viele große Filme gemacht und ist wegen seiner ruhigen Art bei den Regisseuren sehr beliebt gewesen.

 

Wie war Deine Arbeit als DoP?

Ich habe unter anderem zwei eigene 90 Minuten Spielfilme gemacht. Mit Wolfgang Becker „Ellenbogenspiele“, der spielte im Studentenmileu und wurde am Bodensee gedreht. Dann habe ich noch einen anderen Film gemacht, „Happy Weekend“ in Österreich, das waren meine Spielfilme als DoP. Sonst habe ich viel für den Bayerischen Rundfunk gedreht. Die haben mich oft für das „Feuerrote Spielmobil“ geholt und vor allen Dingen immer wenn es ein bisschen gefährlich wurde: Helikopter Aufnahmen oder sowas. BR Kameraleute durften das nicht machen, aus Versicherungsgründen und deshalb haben sie sich einen Freiberufler geholt. Mir hat das alles Spaß gemacht. Ich habe mir das angeguckt, ob es gefährlich ist, und dann habe ich gesagt, das mache ich. z.B. bin ich mal in Landshut unter einem Motorrad auf einem Drahtseil zum Kirchturm hochgefahren, das war mit der Oskani Truppe !

Wenn es möglich war, habe ich als Unterwasserkameramann gearbeitet, da war ich oft am Roten Meer und auf den Malediven. Ich habe mir extra eine kleine UW-Kamera für 35mm gebaut, damit hatte ich keine Probleme mit dem Zoll. Tauchen war mein Hobby. Aber natürlich habe ich eine Menge Dokumentationen, Reisefilme, Werbe-Spots als DoP gedreht.

 

Wenn Du so zurückblickst, was war der spannendste Film, an dem Du beteiligt warst?

Die interessanteste Aufgabe waren eindeutig die dreieinhalb Monate mit Leni Riefenstahl bei den Nuba. Wir haben da wirklich in Zelten gewohnt, mitten unter den Schwarzen. Unser Camp war immer bevölkert, sie kamen morgens, mittags, abends, und wir hatten immer Besucher, mit denen wir palavert haben, obwohl wir uns kaum verständigen konnten. Für mich war das eine unheimlich interessante Reise. Heute gibt es das alles nicht mehr, das ist durch den Bürgerkrieg vernichtet worden.

Die Nuba waren ein absolut friedliches Urvolk, es gab keine Auseinandersetzungen, es wurde nichts geklaut, alles lag offen rum, es ist nie etwas verschwunden, obwohl sie einige Sachen gerne haben wollten. Wenn wir eine Tube mit Tomatenketchup aufgemacht haben, wurde schon ausgehandelt, wer die leere Tube bekommen sollte. Sie haben dann Ohrschmuck oder Halsbänder draus gemacht. Das war für sie das Größte. Wenn ich die Reise beschreibe, das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Leni Riefenstahl war schon vorher im Sudan und wollte mit einem Kameramann von dort drehen. Der aber war gläubiger Moslem und als er in die Nuba-Berge kam, hat er sich geweigert nackte Menschen aufzunehmen. Da hat die Leni einen Tobsuchtsanfall gekriegt. Sie wollte die ja so gefilmt haben und der hat gesagt, die müssen alle angezogen werden, das war damals auch die Regierungsmeinung.

Sie istnach München zurückgekommen und hat einen Kameramann gesucht und Heinz Hölscher, der schon für ihr früheres Projekt (den Sklavenfilm) mit ihr in Afrika war -  konnte nicht. Weil wir zuvor Onkel Toms Hütte gemacht hatten, hat Heinz mich vorgeschlagen. Leni und ich sind dann nach Frankfurt geflogen, dann mit der „Comet“, dem ersten zivilen Passagier Düsenflugzeug sieben Stunden nach Karthum, haben da ein paar Tage lang den nötigen Papierkram erledigt und sich dann 24 Stunden mit der Eisenbahn nach El`Obaite gefahren. Dort hat Leni einen Baumwolllastwagen organisiert der uns nach Kadugli bringen sollte (ca. 10 Stunden !) und als unsere Jungs vor Ort nicht da waren, hat sie den Fahrer bequatscht und mit Trinkgeld nachgeholfen, so dass er uns in das zwei Stunden entfernte Camp gefahren hat. Vor ein paar Jahren ist sie nochmal für eine Dokumentation zu den Nuba´s gefahren, wo dann der Hubschrauber abstürzte, sie aber unverletzt blieb. Wir hatten damals als hochempfindliches Material das zu dieser Zeit ganz neue Kodak ER Material, das wurde im Kopierwerk in die falsche Brühe gehängt und hatte außer Grün keine Farbe mehr. Mit den heutigen digitalen Möglichkeiten wäre es angeblich möglich, Teile des Materials zu rekonstruieren, vielleicht wird dann eine interessante Dokumentation über ein untergegangenes Volk möglich.

 

Du hattest mal eine eigene Firma, Filmtechnik Fromm?

Ja, die habe ich auch heute noch, allerdings auf Sparflamme, so für Reparaturen und Ersatzteile. Sie wurde damals für meine Schulterkassetten gegründet. Bei einer Fahraufnahme aus einem Porsche sollte man die Straße sehen können. Das war mit der Arri35 und aufgesetzter Kassette nicht möglich und ich habe überlegt, das es nur mit einer hinter der Kamera angeordneten Kassette möglich ist und ich habe mir ausAlu-Resten, Holzrahmen etc. so eine Kassette zusammengebaut, die dann für diese Aufgabe auch ganz gut funktioniert hat. Das war Ende der 60er Jahre.Die Idee habe ich Bobby Arnold angeboten, der hat es sich angeschaut und dann gesagt: „Das braucht doch kein Mensch.“ Ich habe gefragt, ob er etwas dagegen hätte, wenn ich es selbst baue und er meinte, „Wenn Sie glauben, das Sie das können, meinen Segen haben Sie.“

Ich hatte keine Ahnung von nix. So habe ich Kontakt mit einer Gießerei aufgenommen. Die waren sehr hilfreich und erklärten mir, dass zuerst technische Zeichnungen notwendig seien. So habe ich die Zeichnungen machen lassen, bin wieder hin und habe gefragt, was mache ich jetzt? Ich müsste mir eine Modellschreinerei suchen! Da habe ich gefragt. Was ist eine Modellschreinerei? „Die machen Modelle, ein Negativ und ein Positiv, von denen machen wir dann eine Sandform und dann wird das gegossen! Also habe ich mir eine Modellschreinerei gesucht, so ging es dann immer weiter, bis die „Action 35 LP“ Schulterkassette fertig war. Später habe ich dann auch noch eine 16er Kassette gemacht. Außerdem haben wir viele Sonderanfertigungen gemacht, oft kurzfristig, weil ein Kollege was für eine laufende Produktion brauchte.

 

Hat sich das gelohnt?

Ja natürlich. Ich habe als Kameramann gut verdient, aber mit der Firma habe ich regelmäßiger verdient, gut und regelmäßig. Wir haben Serien produziert und die haben sich kontinuierlich verkauft. Ich bin auf die Messen gefahren, nach Amerika, nach England und auf die Photokina. Das war schon ein gutes Geschäft. Die Preise von Arri waren immer der Pegel, nach dem bemessen wurde und die Preise von Arri  lagen ja immer recht hoch. Sehr erfolgreich waren unsere Regenabweiser, die haben wir in die ganze Welt verkauft.

 

Wie groß ist die Filmtechnik Fromm geworden?

Die Firma hatte ich Anfang der 70er Jahre gegründet und in denbesten Zeiten hatte ich vier Leute beschäftigt. Den Meister, von dem ich die Werkstatt übernommen hatte. Dann waren noch zwei Angestellte und ein Elektroniker, der aber nicht fest angestellt war. Das war so die beste Zeit.

 

Bei manchen Filmen waren die Aufgaben des Kameramanns mit technischen Entwicklungen gekoppelt?

Das war bei den Skiaufnahmen für den James Bond Film „For You eyes only“ (In tödlicher Mission) so. Da war ich Kameramann für die Skiaufnahmen mit Willy Bogner und wir haben die ganze Verfolgungssequenz im Eiskanal gedreht. Ich habe die Geräte für den Willi entsprechend umgebaut, ein Haltesystem für die Arri III realisiert mit einen großen Ein/Ausschalter, damit man die Kamera auch mit Handschuhen bedienen konnte.

Genauso war es bei „Das Boot“. Ich hatte gehört, dass der Film gedreht wird und habe aus eigener Tasche ein Unterwassergehäuse finanziert, das war für eine Arri IIC mit meiner Schulterkassette. Dann bin ich auf eigene Rechnung ans Rote Meer gefahren und habe dort mit dem Gehäuse einen Testfilm gedreht. Den habe ich dann bei der Bavaria vorgeführt und gesagt, falls sie für den Film ein Gehäuse bräuchten, dass ich so etwas habe.

Dann kamen aber die Ansprüche. Man wollte wegen des Bildstands nur mit der Arriflex 35 III drehen und weil das U-Bootmodell nur 12 Meter lang war, musste alles mit Highspeed gedreht werden, damit das Wasser natürlich aussah. 120 Meter Kassetten waren für den Zweck zu klein. Man hätte zu oft den Film wechseln müssen und das war ja eine aufwendige Prozedur. Also wurden von der Produktion 300 Meter Kassetten gefordert, die es nicht gab. Wir haben dann einen Adapter gebaut, damit die 300 Meter Koaxialkassetten der 35 BL an die Arri III adaptierbar waren. Anfangs hatten wir Probleme. In der Kassette gab es zur Schutzabschaltung bei Filmsalat eine Kugelraste, wo vier kleine Kugeln ins Getriebe griffen und bei Blockade übersprangen. Die Arri III ist viel schneller hochgelaufen als die Arri 35BL und dadurch verdrehte sich immer die Kugelraste und die Schlaufen wurden zu kurz und es gab deshalb Salat. Wir haben dann mit Sekundenkleber die Kugelraste fixiert und danach lief alles problemlos.

 

Ich kann mich an eine Photokina erinnern, da hattest Du einen Helikoptermount an Deinem Stand.

Bei dem Film „Willy Wonka & die Schokoladenfabrik“ (Regie: Mel Stuart 1971) hat der Chefkameramann Arthur Ibbetson gesagt, wenn Gott gewollt hätte, dass er fliegen solle, dann hätte er einen Vogel aus ihm gemacht. Er wollte nicht mit dem Hubschrauber fliegen. So durfte Ich als Assistent nach Nördlingen und da die ganzen Flugaufnahmen machen, da war ich so begeistert, dass ich dann versucht habe an Helikopterfirmen heranzukommen. Es gab es in München den Heiko Zimmer, Firma MHS, der ja auch mit dem Arri verbandelt ist und mit dem habe ich dann öfters gedreht; sie hatten damals eine Continental Mount. Irgendwann bekam ich einen Auftrag, den ich aber mit einem Hubschrauber in Innsbruck drehen sollte, ich bekam aber den Mount von MHS nicht, weil sie die selber brauchten. Da habe ich mir gesagt, wenn ich weiter Helikopter fliegen will, dann muss ich mir selber etwas bauen und habe eine eigene Helimount realisiert, die auch anderen Leuten gefallen hat. Wir haben in der Firma eine Serie gemacht und sie sind nach Spanien, nach Teneriffa, nach Holland, Hongkong, die Türkei und Berlin verkauft worden. Die Serie haben wir nach Bedarf gebaut, die notwendigen Teile hatte ich CNC fräsen lassen und je nach Auftrag haben wir dann nur noch montiert.

 

Als Kameramann hast Du sicher viele Assistenten gehabt. Was ist aus denen geworden?

Mein erster Fan, der durch mich zum Film gekommen ist, war der Peter Rohe. Er tauchte als Schüler in meinem Bekanntenkreis auf, und war von der Arbeit als Kameramann so begeistert, dass er dann ins Kopierwerk gegangen ist und auch Glück hatte, relativ schnell an die Kamera zu kommen. Dicky Dickmann, der hat inzwischen als Kameramann und Regisseur viele Filme gemacht,  war damals beim Bund und als er da rauskam hat er mich angerufen: „Du mich kennt kein Mensch mehr, wie komme ich bloß wieder in die Branche?“  Da habe ich gerade mit Wolfgang Becker einen Film vorbereitet und er wurde mein Assistent und hat sich dann sehr gut entwickelt. Ein anderer Assistent war Gernot Köhler, jetzt auch Mitglied im BVK. Gernot hat ja inzwischen viele TV-Serien gedreht

 

Warst Du im Berufsverband engagiert?

Ich war früher im CDK (Club Deutscher Kameramänner). Ich hatte eine ganz frühe Mitgliedsnummer, es gab da aber einen Vorsitzenden, der gelangweilt hat. Wir wollten über unsere Probleme reden, über Gagen und Mindestforderungen, wie wir Druck auf die Produzenten ausüben können, aber dieser Vorsitzende hat uns dann immer erzählt, „Wie ich damals den Karl May Film drehte, oder wie ..!“ Am Anfang ging es ganz gut, da konnten wir unsere Probleme diskutieren, dann aber kam automatisch die alte Leier und da habe ich gesagt, das interessiert mich nicht und da bin ich ausgetreten. Durch meine Dozententätigkeit in Ludwigsburg bin ich später Wolfgang Treu begegnet, der da Professor ist. Er hat mich gefragt, ob ich nicht außerordentliches Mitglied beim BVK werden will. Ich war da schon nicht mehr aktiv als Kameramann und habe gesagt: Gerne, wenn´s mich nichts kostet. So wurde ich außerordentliches Mitglied.

 

Du hast ja auch sehr viel publizistisch gearbeitet, viel für den Film&TV Kameramann geschrieben. Wie kam es dazu?

Ab und zu habe ich mal kleine Beiträge aus der Praxis für die Praxis für den „Deutschen Kameramann“ geschrieben, so hieß die Zeitschrift damals noch.Einer der Beiträge ging darüber, wie man durch Verdrehen des Objektivrevolvers bei der Arri 35 IIC stürzende Linien auffangen konnte.

Als Bolex die„16 Pro“ vorgestellt hatmachte die Firma Kurse um Berührungsängste abzubauen. Es war ja die erste Kamera, bei der man nicht einfach in den Leihpark gehen konnte und sagen, ich brauche eine Kamera, gib mir mal schnell....Bei dieser Kamera musste man etwas lernen und man musste wissen, wie man sie bedient. Bei einem der Seminare von Bolex war auch deren Presse-Chef da und dem habe ich vorgeschlagen, man müsste eigentlich eine praxisnahe Gebrauchsanweisung schreiben, nicht so etwas Überkandiedeltes wie ihr Prospekt. Da muss praxisnah stehen, wie man die Kassetten einlegt und Elektronik bedient. Aber die hatten niemanden und so wurde vorgeschlagen, ich solle es versuchen. Ich habe meine damalige Frau gefragt – sie war Sekretärin- ob sie mir helfen und die Artikel tippen kann. Dann bin ich zu Hans Jürgen Weber dem Herausgeber des Kameramanns gegangen und er war ganz begeistert. Die Zeitung hat damals so vor sich hingedümpelt und Abonnenten verloren. Die praktische Bedienungsanleitung für die Bolex Pro habe ich mit der Hand geschrieben, aber meine Ex hatte Probleme mit den Fachausdrücken, so dass ich dann mit zwei Fingen auf einer alten Schreibmaschine selber getippt habe. Das war das erste Sammelblatt im Juli 1974. So fing das an und Weber war dann sehr hinter den Sammelblättern her, dass ich praktisch jeden Monat so einen Artikel schreiben musste – „durfte“. In einem Heft steht drin: Da unser Mitarbeiter Gerhard Fromm für Dreharbeiten zu einem langen Film im Ausland ist, fällt diesmal das Sammelblatt aus. Die Zeitschrift hat sich dann sehr gut entwickelt. Später kam dann das Jahrbuch dazu, wo ich seit 1976 die Zusammenstellung der Kameras bearbeite.

Auf Grund dieser Artikel kamen dann mehrere andere Zeitschriften auf mich zu. Ich habe für die Hauszeitschrift „Großformat“ von Firma Linhof geschrieben, für „Colorfilm“, das war eine sehr ambitionierte Zeitung für Amateure und später kam dann „Schmalfilm“, für die ich sehr viel geschrieben habe. Auch für die Zeitschrift „Camera Magazin“ des BVK habe ich einiges gemacht, bevor sie eingestellt wurde.

 

Du sitzt hier in einer großen Kamerasammlung. Wie hat das angefangen?

Angefangen hat es mit einer kleinen Kinamo, für die ich ein Unterwassergehäuse bauen wollte weil die so schön klein und knuffelig war. Ich habe mir eine Kinamo gekauft dann aber festgestellt, dass mit den 15 und auch den 25 Meter Kassette die Kamera ungeeignet war. Dann habe ich mir eine 16er Kamera gekauft und dafür ein Unterwassergehäuse gebaut und die alten Kameras und die Gehäuse habe ich immer aufgehoben. Und da kam dann immer mehr dazu, mit der Idee im Hinterkopf, ich will ein Unterwassergehäuse haben. Später hatte ich bestimmte Fotoläden in London und Wien auch in LA, die ich immer besucht habe, wenn ich dort war und dann habe ich meist etwas mitgenommen. Da war es dann wirklich schon eine Sammelleidenschaft.

 

Willst Du da einmal ein Museum draus machen?

Wir haben hier in München einen Arbeitskreis gegründet der erst einmal die alten Geräte erfasst, die in der Umgebung vorhanden sind. Vielleicht kommt es dann ja im Zusammenhang mit dem neuen Gebäude der Filmhochschule zu einer museumsähnlichen Ausstellung.

 

An der Münchner Hochschule und auch in Ludwigsburg arbeitest Du als Dozent?

Ich bin durch Zufall Dozent in Ludwigsburg geworden. Darum habe ich mich nicht beworben, das ist mir angetragen worden. Ich hatte nach Teilaufgabe meiner Firma meine Leihgeräte an FGV Schmiedle verkauft und war dann dort 3 Jahre beschäftigt, die Leute im Umgang anzulernen und habe dort auch noch Regenabweiser gebaut. Zur selben Zeit wurde die Ludwigsburger Akademie gegründet und Schmidle hat Kameras an die Hochschule verkauft. Bedingung war, dass jemand hingeht und die Studenten einweist. Weil dann niemand greifbar war, habe ich das übernommen und mache das noch immer. Jetzt sind es 15 Jahre, die ich je zweimal im Jahr einen 35mm Kamerakurs mache.

Später habe ich mal einen „Tag der offenen Tür“ der Filmhochschule München HFF besucht, stand dort mit Prof. Slansky zusammen und jemand in der Gruppe hat meine Kamerasammlung gelobt. Prof. Slansky ist danach zu mir gekommen und hat sich alles angeschaut und schlug einige Zeit später ein Seminar „Einfache Tricks mit der Filmkamera“ vor, das ich jetzt auch schon einige Jahre lang anbiete und das von den Studenten gerne besucht wird. Wir arbeiten dabei mit 35 mm Film und machen Front-Pro, Spiegeltricks, Doppelgänger und Geister-Einblenden und Ähnliches.

 

Wenn Du heute jung wärst, würdest  Du den Beruf noch mal ergreifen?

Wenn ich jung wäre, würde ich wieder versuchen Kameramann zu werden. Das war für mich mein Leben. Ich habe von dem Film gelebt, ich habe aber auch für den Film gelebt. Ich habe aus Jux immer gesagt, mein Herz schlägt nicht links, mein Herz schlägt Film.

Wenn ich von meinen ehemaligen Assistenten, die jetzt Kameraleute sind, höre, wie es heute zugeht, habe ich schon mitbekommen, wie sich die Arbeitssituation durch Stress und Überstunden geändert hat; ich habe den Beruf aber so geliebt, dass ich sagen würde, ich würde es wieder versuchen. Ich könnte mir nichts Interessanteres vorstellen.

 

 

Gerhard Fromm (Filmografie Auszug)

Cinematographer

Kameramann :
1989   „Architektur des Untergangs“  (DoP)   R: Peter Cohen
1983   „Happy Weekend“  (DoP)       R: Murray Jordan
1969   „Ellenbogenspiele“  (DoP)            R: Wolfgang Becker
1965   „Die Nuba“ 2. Expedition (DoP)     R: Leni Riefenstahl
           2. Kamera / Schwenker :
1981   „For Your Eyes Only“ Bond - 007 (Ski-Team W. Bogner)   R: John Glen
1981   „Das Boot“  (Aditional Cameraman – UW-Technik)  R: Wolfgang Petersen K: Jost Vacano
1967   „Das Schlangenei“  (Interview-Kamera) R: Ingmar Bergmann K. Sven Nykvist
1977   „Twilight`s Last Gleaming“  (Operator) R: Robert Aldrich K. Bob Hauser
1971   „Willi Wonka & die Schokoladenfabrik“ (Operator)R: Mel Stuart K. Arthur Ibbetson
1968   „Babeck“ 3teiliger TV-Krimi   (Schwenker) R: Wolfgang Becker K: Rolf  Kästel
1965   „Onkel Toms Hütte“ (Schwenker MCS 70 ) R: Geza von Radvanyi K: Heinz Hölscher
       Diverse Shows bei der Bavaria   R: Pfleghar / Liesenthal K: Wolf Schneider / H. Staudinger / K. Gewissen
Assistent :
1962   „Inshalla – Razzia am Bosporus“ R. Karl Möhner K: E v Theumer sen. / Ernst Wild 
1962   „Sein bester Freund“ ( Assistent ) R: Luis Trenker K: Rolf „Tünnes“ Kästel           
TV und Dokumentationen :
„Mediterane Minaturen“ ( TV-Doku rund ums Mittelmeer )  R. Gerd Herm
„Versunkene Fürstentümer“ ( TV-Film rund ums Mittelmeer )  R: Gerd Herm
„Schatzsucher unserer Tage“ ( 13teilige TV-Serie )  R: Rolf v. Sydow
„Die reißenden Wasser von Velaba“ ( 13teilige TV-Serie )  R. Gerd Öhlschlegel 
„Das feuerrote Spielmobil“ ( langlebige Kult-TV-Serie )  R: diverse

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