Auf dem Dokfest München (4. – 11. Mai) und meine Filmtipps

03. Mai 2011

Die Teilnehmer bei der Vorbereitung: Doris Metz, Wolfgang Ettlich, Daniel Sponsel und Silke Freund

 

 

Das  AGDOK Filmgespräch: Protagonisten – ambivalente Helden

Diskussionsveranstaltung Samstag 07. Mai 2011 um 14 Uhr im Filmmuseum

(Eintritt frei)

Protagonisten in Dokumentarfilmen stehen oft von heute auf morgen mit ihrer persönlichen Lebensgeschichte in der Öffentlichkeit. Wer sich vor der Kamera öffnet, muss mit Reaktionen von Nachbarn, Freunden, Arbeitgebern oder ganzen Gemeinden rechnen.

Der Filmemacher muss eine spannende Geschichte erzählen und dafür Aspekte seiner Protagonisten betonen oder auslassen. Er muss ein Gespür für die Grenzen seiner Protagonisten entwickeln, wenn er ihnen nicht schaden will. Wenn die Grenzen nicht eingehalten werden, kann die öffentliche Aufmerksamkeit Familiendramen oder andere Katastrophen auslösen. Immer wieder müssen sich Dokumentarfilmer fragen, wie weit sie gehen können oder ob sie ein Projekt frühzeitig abbrechen müssen, um ihre Protagonisten oder auch deren soziales Umfeld zu schützen?
Die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm lädt zum Podiums-Gespräch mit Protagonisten aus Dokumentarfilmen und ihren Filmemachern ein, um über die Verantwortung des Filmemachers für seine Protagonisten zu diskutieren. Mit dabei: Doris Metz (Schattenväter) und Wolfgang Ettlich (Die Schützes)
 

Ich habe schon für eine Pressearbeit eine Reihe von Filmen gesehen, hier meine ganz persönlichen Filmtipps:

 

El Bulli – Cooking in Progress

Eine Beobachtung des Kochs Ferran Adrian (Molekularküche) und seines Teams bei der Arbeit. Das 3 Sterne Restaurant El Bulli ist nur 6 Monate geöffnet. Im der Restlichen Zeit zieht der Meister mit seinen Köchen in ein Labor und entwickelt ein neues Programm und dabei lässt er sich von der Kamera zusehen.

Interessant für Koch-Fans aber lernen kann man bei dem Film nichts und weiterführende Erkenntnisse gewinnt man auch nicht bis auf die eine: man kann alles auf die Spitze treiben.

 

Bad Boy Kummer

Mehrere Jahre belieferte der Schweizer Tom Kummer Zeitungen (vor allem das SZ-Magazin) mit selbst erfundenen Starinterviews aus Hollywood. Nachdem der Schwindel aufflog, arbeitet Kummer als Tennistrainer. Im Film hat Kummer noch mal eine Bühne sich selbst darzustellen, auch als Videokünstler, der er so nebenbei sein wollte.

Eine verpasste Chance, sich das System des Prominenten-Journalismus in seiner Struktur und Alltäglichkeit vorzunehmen und die Frage zu klären, wieweit der Journalismus ein Spielball der PR-Maschine ist, die dann Erscheinungen wie Kummer.

Stilistisch hat sich der Film an den Boulevard Journalismus angepasst.

 

Nagis – When time stopped Breathing

Zyklon Nagis war 2008 einer der schlimmsten Naturkatastrophen, die die Region Myanmar (Burma) traf, mit geschätzten 100 000 Toten.

Der Film zeigt in einer stoischen Ruhe ganz gegen die Gewohnheiten sensationeller Berichterstattung die Alltagsprobleme nach einer Naturkatastrophe.

sehenswert

 

Khodorkovsky

Einer der reichsten Männer Russlands gerät in die Mühlen der Justiz und wird zweimal mit fadenscheiniger Begründung verurteilt. Gespräche mit allen möglich Involvierten auch mit Joschka Fischer. Der Autor bekommt sogar ein Interview mit Khodorkovsky.

 

9 Leben

9 Punks und ehemalige Straßenkinder erzählen isoliert vor der weißen Hohlkehle eines Studios ihr Leben, viele als ungeliebte Kinder, oft war auch Alkohol im Spiel. Durcheinander geschnitten schälen sich sehr individuelle Portaits heraus auch wenn man als Betrachter nicht unbedingt hinter die Systematik blickt, die der strenge Formwille vermuten lässt.

Sehenswert

 

Over your Cities Grass will grow

Der Künstler Amseln Kiefer hat in der Französischen Privinz eine Art unterirdischen Kreuzgang geschaffen, auf dessen Durchbrüchen zur Oberfläche er Kapellen mit Kunstwerken errichtet hat. (Ribes Hautes - 30430 Barjac, Frankreich) Der Film besteht zum grossen Teil auf schwebenden Aufnahmen seiner Gänge und Werke. Der Louma-Kran ist ein schönes Gerät, weil er die Kamera nicht nur auf und abschweben lassen kann, sondern auch unter dem Drehen teleskopierbar ist. Der Film zeigt eine Menge wunderschöner Kranaufnahmen auch wenn die Musik versucht, eine bestimmte Stimmung zu suggerieren.

Nebenbei  ist er ein Lehrbeispiel dafür, wie ein Interviewer mit seiner Klugheit ein Gespräch ersticken kann und so die wahrscheinlich einzige Chance eines Interviews vergeigt.

sehenswert

 

Die Schützes – Leben nach der Wende 1990 bis 2010

Bei der Wende sind die Schützes als selbstständige Unternehmer ganz vorne mit dabei und treiben den Umbau zur Marktwirtschaft mit voran. Schließlich werden sie von selbiger überrollt und bleiben als Opfer zurück. Eine Langzeitbeobachtung.

Am Samstag 07.05 gibt’s dazu mit den Betroffenen ein Filmgespäch um 14 Uhr im Stadtmuseum: Protagonisten – ambivalente Helden

Natürlich anschauen, bin ich ja beteiligt…

 

Not with out you

Der niederländische Künstlerehepar, der Maler Ger Lataster und die Photographin Hermine van Hall werden vom Sohn und Schwiegertochter im Alltag beobachtet. Sie ist schwerhörig und kämpft mit der Vergesslichkeit er, Jahrgang 1920, ist nicht mehr gut zu Fuß, arbeitet aber noch immer intensiv im Atelier. Wunder bar ist eine Szene, in der Sie in ihrer Vergesslichkeit mit den Enden eines Gartenschlauchs kämpft und Er es später in einem Bild festhält.

Sehenswert

 

Adopted

Einsame Europäer können in einem Programm von Ganesischen Familien adoptiert werden und gehen als Patenkinder nach Afrika. Der Film begleitet drei Personen aus Deutschland bei diesem Experiment. Man erlebt das Aufeinanderprallen der kulturellen Unterschiede, ein Bemühen und Scheitern.

Sehenswert.

 

Wadans Welt

Eine Langzeitbeobachtung auf der Wadan Werft in Wismar/Warnemünde. Fünf Schweisser erleben den Gang durch eine Insolvenz, sind arbeitslos und nach der Übernahme der Werft durch einen Investor werden einige wieder eingestellt. Die Arbeit ist nur mehr Spielball anderer Interessen. Leider nervt die Musik in den Filmteilen, wo der Wadan-Wotan Mythos erklärt wird.

Sehenswert

 

All for the Good of the World und Nosovice

In der tschechischen Provinz wird ein Hyundai Autowerk auf die Äcker gestellt. Erst verlieren die Bauern auf Druck der arbeitswilligen Mehrheit ihr Land, dann leiden die Arbeitenden unter den Produktionsbedingungen, während die Bauern zu reichen Erwerbslosen geworden sind. Eine ver-quere Welt in der es zunächst lustig zugeht bis einem das Lachen im Halse steckenbleibt. Gut Fotografiert.

Unbedingt sehenswert

 

Off the Beaten Track

Der Film beobachtet eine Gruppe von Schäfern in Rumänien. Der Beitritt zur EU ermöglicht es, daß einige Frauen zur Ernte nach Deutschland fahren und Geld mitbringen. Dadurch verändert sich die Ökonomie. Eine schön fotografierte Beobachtungen des Alltags über ein Jahr hinweg.

Sehenswert

 

Waste Land

Der brasilianische Künstler Vik Munitz ist mit seinen nachgestellten Kunstwerken weltberühmt geworden. Der Film beobachtet ihn bei einem besonderen Projekt. Zusammen mit Abfallsortierern der größten Müllkippe in Brasilien erschafft er aus Fotografien und Müll auf dem Boden einer Halle riesige Bilder, deren Reproduktionen dann auf einer Kunst-Auktion sehr viel Geld einbringen. Das Geld reicht er an die Gemeinschaft der Müllsortierer weiter. Ein interessanter Eingriff in das Leben der anderen.

Sehenswert

 

Auf Teufel komm raus 

Karl D., mehrfach verurteilt als Sexualstraftäter wird nach der Haft von seinem Bruder aufgenommen, was die Mitbewohner im Dorf nicht akzeptieren und durch tägliche Demonstrationen vor dem Haus zum Ausdruck bringen. Den Autorinnen ist es gelungen, bei diesem typischen Konfrontationsfall beide Seiten unvoreingenommen zu zeigen. In einigen Film-Momenten spürt man, daß sie der Situation nicht ganz gewachsen sind.

 

Wild Grass

Wo Eltern nur ein Kind haben dürfen, werden Kinder mit Fehlern schnell mal irgendwo abgelegt und zu Waisen. Der Film beobachtet fünf Waisenkinder in einem Heim in der Chinesischen Provinz über den Zeitraum von 12 Jahren. Eindrucksvoll.

 

Just One Question

Langzeit Videotagebuch einer Krankheit und den Heilungsversuchen. Die Schauspielerin und Filmautorin Marie Bardischewski ist durch eine Entzündung schwerhörig geworden und hat den Gleichgewichtssinn verloren. Sie stellt sich als Testperson amerikanischen Hirnforschern zur Verfügung und dokumentiert ihre Bewußtseinsveränderung, die sie nach Versuchen mit den sogenannten Brain-Divice erfahren hat.

 

Mama Afrika

Postmortales Filmportait über Miriam Markeba, Archivmaterial Auftritte und Befragungen der Hinterbliebenen Familienmitglieder und Mitmusiker, wie man das so kennt.

 

My Mother Oak

In der kargen Landschaft des Zagros Gebirge im Iran wachsen vereinzelt Eichen. Weit ab wohnt ein Einzelgänger in den Bergen. Er bekommt Besuch von Dorfbewohner die verbotener Weise das Holz zu Holzkohle verarbeiten.  Nicht nur der Raumbau, auch überflüssige Staudammprojekte verändern die Landschaft.

 

Traumfabrik Kabul 

Eine Polizistin aus Kabul produziert mit sich selbst in der Hauptrolle diverse Spielfilme zum Thema Gewalt gegen Frauen, um das Rollenbild in der Afghanischen Gesellschaft zu ändern. Und dann zieht sie mir ihrem Helfer los, um die Filme in der Provinz zu zeigen. Eine sinnvolle Arbeit und vor allem wird deutlich, das auch dies nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Gut beobachtet.

 

Was tut Pina Bausch und ihre Tänzer in Wuppertal…

Wildenhahn beobachtet 1983 das Entstehen einer Produktion von Pina Buaschs Tanztheater, ein Klassiker der Dokfilmgeschichte, interessant, weil man Tänzer wiedersieht, die auch im Wenders Film vorkommen.

 

Boxing Gym

Frederick Wiseman hat diesmal in der ihm eigenen Art ein Box-Fittness Studio in Austin Texas beobachtet. Sehr guter O-Ton und Gott sei Dank mal ein Film ohne Musik.

 

The Lie

Die Somalierin Ayaan Hirsi Ali hat Asyl in den Niederlanden gefunden und es als Abgeordnete bis in Parlament gebracht. Auf Grund falscher Angaben im Asylverfahren wird ihr die Staatsbürgerschaft innerhalb von drei Tagen aberkannt und sie geht in die USA. Der Film untersucht die Hintergründe in diesem Skandal. Für nicht Niederländer schwer verständlich. Aber Filmemacher Oey bringt seine Protagonisten dazu, jeweils ein Lied zu ihrer Haltung zu singen, auch die ehemalige Ministerin Rita Verdonk zusammen mit ihren Personenschützern in der Tiefgarage. Film mit großem Gestaltungswillen und dem Einsatz von Tilt-Shiftobjektiven bei denen die Objektivebene verschwenkt wird und einen Schärfenbereich im Bilderzeugt, der seitlich von Unschärfen flankiert wird. Dieser Effekt kann auch in der Nachbearbeitung erzeugt werden.

 

Bejond this place

Sohn-trifft-Vater-Film, Vater Cloud Rock La Belle ist Alt-Hippie und Drogenfan und war im Leben seines Sohnes nicht anwesend. Der versucht nun 34 Jahre alt herauszufinden warum und bekommt eigentlich keine richtige Anwort und erst recht keine Entschuldigung.

 

Village without Women

Drei Brüder in einem Serbischen Bergdorf allein mit noch ein paar alten Männern. Einer macht sich ernsthaft auf, eine Frau zu finden, im benachbarten Albanien. Über drei Jahre beobachtet, teilweise absurd über die Schwierigkeiten des Landlebens.

 

Leonids Geschichte

Die Geschichte eines russischen Polizisten, der eine Frau findet, nach Tschernobyl versetzt wird und dort für ein paar Tage ein Paradies erlebt bevor der Reaktor explodiert. Erzählt wie ein Märchen mit Zeichentrick, bis plötzlich aus dem Trickfilm ein Realfilm wird, eine Familie, bei der alle gesundheitlich unter den Folgen leiden.

 

Unter Kontrolle

Beobachtungen aus dem Alltag der Kernkraftwerke, eine filmische Werksführung ohne Vorgabe. Die Position bringt der Zuschauer mit.

 

 

 

 

 

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