TALENTPROBE und ZUGABE im WDR

09. Juli 2012

 

Der WDR zeigt noch einmal den Kultfilm Talentprobe. In Zugabe wird das Erreignis vor 30 Jahren nocheinmal aus dem Rückblick der Protagonisten betrachtet.


Talentprobe
Dokumentarfilm von Peter Goedel
Länge: 113’59’’
Kamera: David Slama, Axel Brandt, u.a.
WDR Fernsehen, Donnerstag, 12. Juli 2012, 23.15 Uhr

Zugabe. Talentprobe  - Ein Wiedersehen.
Dokumentarfilm von Manfred Behrens
Länge: 97’06’’
Kamera: Axel Brandt, Hans Albrecht Lusznat u.a.
WDR Fernsehen, Donnerstag, 19. Juli 2012, 23.15 Uhr

  


Der WDR holt einen Kultfilm aus dem Archiv: Peter Goedel hatte 1979 die TALENTPROBE im Tanzbrunnen von Köln dokumentarisch begleitet – ein Vorläufer vieler Casting-Shows von heute. Der Film ist eine Zeitreise in die 70er Jahre mit viel Humor und Musik.

„Das ist ja grausam" steht auf dem einen Spruchband, ein schlichtes „Kotz!" auf einem anderen, „Hau ab, du Kulturbanause" auf einem dritten. Die 4000 zahlenden Zuschauer bei der „Talentprobe“ am Kölner Tanzbrun¬nen im Hochsommer 1979 kennen kein Erbarmen. Wer sich da vor ihnen auf der Bühne produziert, meist mit deutschen Schlagern der schlimmeren Sorte, immer mit der brennenden Sehnsucht, für den professionellen Musikmarkt entdeckt zu werden, muss damit rechnen, eine Katastrophe zu er¬leben. Das Publikum will ein Schlachtfest, pfeift und johlt wie besessen, bis auch das letzte Amateur-„Talent" begriffen haben dürfte, dass es lie¬ber weiter in der Badewanne singen sollte.
Doch einer wie der Malermeister Karl-Heinz Wandelbein, der sich vorge¬nommen hat, an diesem Abend die Stücke „Ihr Name war Carmen" und „Quando mi amore" vorzutragen, lässt sich durch die Meute am Tanzbrun¬nen nicht aus der Ruhe bringen. Im Gegenteil: Auf der Bühne blüht der vor¬her so schüchterne junge Mann, der beim Vorbereitungsgespräch mit dem Conferencier Udo Werner recht ängstlich und gehemmt gewirkt hatte, erst richtig auf, ahmt selbstbewusst die Showgesten der Schlagerprofis nach, scheint sich wohlzufühlen inmitten des allgemeinen Geheuls.

Die Kölner „Talentprobe" ist eine Feuerprobe. Die kleinbürgerlichen Gladia¬toren, die da in die Arena treten — zum Beispiel ein Maurer, ein Elektromon¬teur, eine kaufmännische Angestellte —, können oft keine Noten lesen, keine Tonarten erkennen, keine Melodie halten. Dennoch wagen sie den Schritt ins Rampenlicht. Hinter dem Ritual am Tanzbrunnen wird die Sehn¬sucht der Akteure spürbar, etwas anderes, etwas Besonderes zu erleben: um beinahe jeden Preis. Denn was das Publikum betreibt, aufgeheizt von den zynischen Kalauern des Conferenciers, gleicht einer gezielten Demontage.

Der Dokumentarist Peter Goedel mischt sich nicht ein, verzichtet auf kritische Kommentare. Er und seine vier Kameramänner (an¬geführt von David Slama) zeigen, knapp zwei Stunden lang, den Ablauf der 5018. „Talentprobe" - vom Eintreffen der Kandidaten am Nachmittag bis zur Entscheidung am späten Abend. Ganz am Ende sieht man die Gesichter der Verlierer: stumm, verschlossen, erschöpft, gezeichnet von einer Erfahrung, die sie — und die Zuschauer im Kino — lange nicht werden vergessen kön¬nen.

Goedels Arbeitsweise hat ihm damals den Vorwurf eingebracht, er poten¬ziere nur noch die Unbarmherzigkeit dieser unbarmherzigen Veranstaltung. Aber gerade der Verzicht auf eine besserwisserische Kommentierung, die konzentrierte Beobachtung der Personen hinter und auf der Bühne — die Kandidaten, die hilfreiche Profiband, die selbst den größten Nichtskönner noch gut aussehen lassen will, der ständig schalen Frohsinn produzierende Showmaster — das ist dokumentarisches Arbeiten in seiner besten Form.
Die gelassene Sorgfalt, mit der die ruhigen Schwarzweiß-Bilder aufgenommen und von Goedel mit Hilfe des Meister-Cutters Peter Przygodda (der fast alle Wenders-Filme schnitt) montiert wurden, überzeugt auch heute noch – 30 Jahre später!  (WDR Pressetext)

Mehr über die Technik zum Film findet sich in einem Artikel des Film&TV Kameramanns.

 


WDR Fernsehen, Donnerstag, 19. Juli 2012, 23.15 Uhr
Zugabe. Talentprobe  - Ein Wiedersehen.
Dokumentarfilm von Manfred Behrens
Länge: 97’06’’


Es ist über dreißig Jahre her. An einem heißen Juliabend trafen sich zur TALENTPROBE am Kölner Tanzbrunnen rund ein Dutzend Verwegene, die auf eine Gesangskarriere hofften oder zumindest Spaß haben wollten. Jetzt hat sich Manfred Behrens, Filmautor und Moderator, auf die Suche nach den damaligen Talenten gemacht und sie gefunden. Was ist aus ihnen geworden? Fast alle haben noch ein wenig mit Musik zu tun, ganz losgelassen hat sie der Juliabend 1979 nicht. Manche musizieren heute noch für den Hausgebrauch, andere versuchen, damit Geld zu verdienen. So tritt einer auf als "Westerwald-Elvis", ein anderer als der "Junge aus dem Vorgebirge".
Wilfried Henne war bei seinem Auftritt vor dreißig Jahren ganz aufgeregt: "Einmal im Leben muss man ja Glück haben". Nun wird er gefragt, ob er dieses Glück hatte. Die damalige Gewinnerin, Karin Langel, stellt uns ihren kleinen Privatzoo vor und Karl Heinz Frerichs, vormals Herr Wandelbein, spricht vom Lampenfieber. Sie alle haben ihren Weg ins Leben gemacht, mit all den Kompromissen. Es geht um Träume und auch um Albträume. Scheidungen, Krebserkrankungen und Schlaganfälle kommen zur Sprache, normales Leben halt, in all seinen Facetten.
Die Auftritte vor 30 Jahren hatte der Filmemacher Peter Goedel in seinem mittlerweile legendären Film "Talentprobe" dokumentiert. Mit Ausschnitten aus diesem Film werden die "Talente" konfrontiert. Jeder sieht sich selbst noch einmal auf der Bühne - nur 30 Jahre jünger. Es gibt ganz unterschiedliche Reaktionen darauf. Der eine lacht lauthals und sagt: "Es gibt Schlimmeres", während drei, vier andere durchaus wehmütig werden: "Ich sah gut aus damals" oder: "Das waren die schönsten zehn Minuten meines Lebens". Wie sagt doch der Kioskbesitzer und frühere Liedermacher Hans Günter Meurer: "Träume müssen realistisch sein".

Der neue Film verknüpft nun das alte Material mit neuem. So entsteht eine faszinierende Zeitreise - voller Nostalgie und Wehmut. Das Leben ein Schnitt. Der Film spielt mit diesen Zeitebenen und schafft damit eine einzigartige Atmosphäre des Gestern und Heute.
Höhepunkt und Ende des Filmes ist das Zusammentreffen aller "Talente", wieder am Tanzbrunnen Köln. Der Film zeigt dabei, wie sie sich verändert haben, aber auch die Freude des Wiedersehens. Sie alle wollten noch einmal auftreten, noch einmal auf die Bühne, und sie wagten es. Sie haben es noch mal gezeigt - und der Film dokumentiert diesen letzten Auftritt im Tanzbrunnen. Für alle war es eine Wiederkehr und wohl ein endgültiger Abschied.
Abschied nimmt der Film auch von Hans Barani, der mit seiner Band die damaligen musikalischen Versuche begleitet hatte und dazu interviewt wurde. Er verstarb noch bevor der Film fertig war. (WDR Pressetext)
 

Alle Fotos. Manfred Vollmer / Peter Goedel Filmproduktion