Das Volks-Steadicam

13. Juni 2013

Auch als Schulterstütze zu verwenden - Manfrotto Modosteady

Das erste Hand-gehaltene Steadicam kam 1990 mit dem JR Modell  auf den Markt und hatte schon die heute noch gebräuchliche Form vieler Nachahmer Modelle. Die Kamera wird verschiebbar auf einer Platte befestigt. Ein falt- oder klappbares Gestänge an der Frontseite der Platte meist in Form eines Bogens oder Winkels bildet das Gegengewicht zur Kamera und lässt dem Handgriff genügend Spielraum. Dieser ist mit einem kardanischen Gelenk unter der Platte befestigt. Das Bogen- oder Winkelgestänge lässt sich zum Austarieren der Balance verstellen und justieren und die Kamera kann seitlich, vor- und rückwärts verschoben werden. Das Steadicam JR aus dem Jahr 1990 hatte vorne am Winkel einen schwenkbaren frühen LCD Monitor.

 

   

Original Steadicam Prospekttitel aus dem Jahr 1990

Heute braucht man den Monitor nicht mehr, da alle entsprechenden Kameras mit einem Gewicht bis ungefähr 2 kg einen eigenen Kappmonitor besitzen. Weil Steadicam Erfinder Garrett Brown auch für dieses Gerät ein Patent angemeldet hatte, war es für die Nachahmer nicht leicht, eigene Versionen herauszubringen. Meist verzichteten andere Modelle auf die kardanische Aufhängung. Das Steadicam JR und alle Nachfolgemodelle wie das aktuelle Merlin2 haben einen echten kardanischen Gimbal, der das Arbeiten mit der Zweihandtechnik erlaubt.

Kardanische Aufhängung

Viel kostengünstiger sind Modelle zu produzieren, bei dem die Kameraplattform auf einer Nagelspitze oder einer Kugel balanciert wird. Auf einer Nagelspitze kann man ein Gerät steuern und schwenken, aber der Spielraum ist deutlich eingeschränkt. Das Gleiche gilt für eine Kugeloberfläche, bei der noch zusätzliche Reibungsverluste hinzukommen.
Manfrottos Modosteady verwendet genau so eine Kugel und die gibt dem Handgriff gerade mal 36° Bewegungsfreiheit, was einem 1/10 Kreis entspricht, also Überwurffassung 1/5 Kreisbogen links und rechts; weiter darf man den Handgriff nicht aus der Senkrechten verschwenken, denn sonst stößt er am Überwurf an. Dieser hat hinten eine Einkerbung, so daß man den Handgriff in diese Richtung um 90° zur Senkrechten kippen kann. Das vordere Bogengestänge mit dem Gegengewicht ist klappbar wie ein Zollstock ausgeführt, lässt sich auf handliche Grösse zusammenfalten, wobei die Klappgelenke selbsttätig in jedem 90 Gradwinkel stabil einrasten. Im Gegengewichtbehältnis sind fünf 35 Gramm schwere Gewichte  untergebracht die einzeln entnommen werden können. Eine Blattfeder sorgt für verschiebungsfreien Sitz der Gewichte in ihrem Behälter.
Zwei klemmbare Gelenke im Bogengestänge ermöglichen die genaue Justage des Gegengewichts zur Kamera. Das wichtige obere Gelenk ist mit einer Zahlenskala versehen, so daß man sich seine Einstellpositionen merken kann. Die Kamera wird mit einer kreisrunden Schnellverschlussplatte auf dem Modosteady eingeklinkt und durch eine Feststellschaube fixier. Das Gerät wiegt insgesamt 480 Gramm und kann Kameras bis 750 Gramm tragen. Für den Test wurde es mit einer Sony HDR-CR730 probiert, eine Kamera die mit ihrem Super Steady Shot System in Verbindung mit dem Modosteady elegante Kamerafahrten ermöglicht.
Für die Zweihandtechnik, bei der die Krafthand das System trägt und die andere Hand oberhalb des Gimbals die Steuerung übernimmt, ist beim Modosteady nicht genügend Platz vorhanden. Der Bogen des vorderen Gestänges ist zu knapp, auch für großartige Bewegungen mit dem Handgriff. Am Besten steuert man die Bewegungen mit dem Daumen der tragenden Hand. So sind auch mit etwas Kraftaufwand Schwenkbewegungen bis in die senkrechte Kameraachse möglich

natürlich nicht so gut, wie mit einer echten kardanischen Aufhängung. Sicher kann das Gerät in der Bedienung nicht mit dem Kampfort des original Steadicams mithalten, aber bei einem Preis von ungefähr 80,00 Euro kostet Manfrotto´s Modosteady nur etwa 1/10 des Originals. Die Entwickler haben aber neben dem Handheld Stabilisator gleich noch zwei zusätzliche Funktionen in ihre Konstruktion gepackt. Der Handgriff lässt sich nach Lösen einer aufgesetzten Zugkappe in drei Tele spreizen, und wenn man die Kugel des Handgriffs über die Feststellschraube arretiert, dann hat man ein Tischstativ. Sollte der zusammengefaltete Bügel ins Bild kommen, dann kann man die Kamera mit ihrer Adapterplatte einfach um 180 Grad auf dem Kameratisch drehen. Klappt man den Gewichtsbehälter bis zum Anschlag nach vorne so wird aus dem Bogengestänge eine Schulterstütze die man sich mit dem oberen Kippgelenk individuell anpassen kann. Mit diesen drei unterschiedlichen Funktionen ist das Modosteady beim Einsatz entsprechender Kameras allemal die Investitionskosten wert, zumal es sich relativ eng zusammenkappen lässt und in jede Kameratasche passt.