Immer Ärger mit Foto-Objektiven

 

29. Oktober 2014
Zeiss/Arri PL Objektiv (Mitte) neben Nikon F1.4 und Leica F1.0 Foto-Objektiv, alle 50mm Brennweite

Der Wunsch, teure Filmobjektive durch günstige Fotolinsen zu ersetzen und die grössere Vielfalt der massenhaft hergestellten Objektive der Fotoindustrie zu nutzen, ist fast so alt wie das Filmgeschäft, wurde aber bis in die 80er Jahre durch das relativ hohe Auflagemaß der 35mm Spiegelreflex-Filmkameras weitgehend vereitelt. Für die ersten Arriflex 35III und die Arriflex IIC waren austauschbare Frontplatten mit Nikonbajonett lieferbar und so konnte man an Filmkameras extreme Fisheye und Telebrennweiten und auch Tilt+Shift Objektive aus dem Fotosortiment nutzen.

 

Beim Einsatz von Foto-Objektiven gibt es aber grundsätzliche Probleme, die man sich immer vor einer Entscheidung vergegenwärtigen muss, und seit die Investitionskosten für Groß-Sensor-Videokameras unter den Preis eines Fixbrennweite-Objektivs gefallen sind, ist die Versuchung und der Druck besonders gross, auf Foto-Objektive auszuweichen. Man kann mit Foto-Objektiven Filme drehen, aber es gibt erhebliche Einbußen an Qualität und Handhabung, derer man sich bewusst sein sollte und die man als Kameramann an Regie und Produzent kommunizieren muss.

Die gebräuchlichen Foto-Objektive für die Filmarbeit:

Das ältere Nikon 17-35mm mit Blendenring, das neuer Nikon 16-35 ohne Blendenring, beide F2.8

Profi Fotografen verwenden heute in der Regel drei Bereichszooms mit den Brennweiten16-35/24-70/70-200mm und der durchgängig größten Blendenöffnung von F2.8. Diese Objektive werden in ziemlich ähnlicher Form von den Herstellern Canon, Nikon und auch anderen mit ihrem jeweiligen Bajonett angeboten.  Bei Nikon Objektiven wird der Schärfenring von Unendlich ∞ nach Nah in Blickrichtung der optischen Achse gegen den Uhrzeigersinn gedreht (anders herum als bei Filmobjektiven). Die Blende wird von der grössten Öffnung zur kleinsten im Uhrzeigersinn gedreht (wie bei Filmobjektiven), der Zoom von Weitwinkel nach Tele im Uhrzeigersinn (anders herum als bei Filmobjektiven). Wer Filmobjektive gewohnt ist, wird an Nikon Objektiven schon wegen der verkehrten Drehrichtung verzweifeln.  Canon Objektive haben für Entfernung und Zoom die gleiche Drehrichtung wie Filmobjektive. Einen Blendenring gibt es am Objektiv nicht mehr. Die Blende wird elektronisch über den Kamerabody in 1/3 Stufen verstellt.

Die zwei wichtigsten Erkenntnisse aus der Arbeit mit Foto-Objektiven:

Zoomen geht nicht - oder nur eingeschränkt:

Will man mit den Foto-Bereichszooms - keiner von denen hat einen Zoomfaktor größer als 3 - eine einigermaßen akzeptable Zoomfahrt realisieren, dann braucht man einen 0.8 Zahnkranz und einen Chrosziel-Fluidantrieb. Unter Umständen hüpft beim Zoomen die Bildachse, für den Fotoeinsatz ohne Belang, aber bei Filmaufnahmen nicht tolerierbar. Obwohl die oben genannten Foto-Bereichzooms eine durchgehende Blendenöffnung von F2.8 haben sollten, gibt es bei einigen während des Zoomes mit offener Blende zwischen Weitwinkel und Tele durchaus einen Abfall von 2/3 Blendenstufen. Wer wegen der Unschärfe mit offener Blende arbeitet und wegen des Ausschnitts immer wieder die Brennweite verstellt, der muss dann gleichzeitig mit Verstellung der ISO Werte gegensteuern, um den Signalpegel zu halten.

Schärfeziehen ist ein richtiges Problem:

Verstellweg des Schärfenrings beim Nikon 17-35mm Zoom

Zum Schärfeziehen zwischen ∞ und der MOD (Minimum object distance) bleiben 70° Verstellwinkel (für die Bereichszooms), weniger als eine viertel Drehung. Dabei bleibt die Bildachse nicht unbedingt stabil und wenn man Pech hat, hüpft die Bildlage, was ja beim Fotografieren gar keine Rolle spielt. Gleichzeitig verändert sich die Brennweite beim Schärfenziehen (das Bild pumpt) und wird je nach Drehrichtung in der Breite bis zu 10% grösser oder kleiner.

Probleme auch mit der Blende:

Autofokusobjektive werden komplett vom Kamerabody gesteuert. Bei Canon-Objektiven und auch bei einigen neueren Nikon-Objektiven gibt es keinen Blendenring mehr. Dennoch: bei allen Nikon Objektiven wird die Blende intern mechanisch gesteuert. So lässt sich in den Adapter zur Kamera hin ein Blendenverstellmechanismus einbauen. Aber der Verstellweg für den Blendenhebel im Bajonett beträgt für den Bereich von ganz offen bis F22 ganze 6mm. Wie immer im Adapter der Verstellmechanismus mechanisch ausgeführt ist, ein genaues Blendenziehen ist unmöglich. Immerhin funktioniert es stufenlos. Wer aber eine ganz einfache Aufgabe zu lösen hat, ein Interview mit zwei parallel arbeitenden Kameras aufnehmen soll, die unterschiedliche Einstellungsgrössen liefern, der scheitert bei diesen Nikon Objektiven kläglich beim Versuch, die gleiche Blende einzustellen. Das geht nur über den Sucher mit Histogramm oder Zebra Anzeige.

Novoflex Adapter für Nikon Objektiv mit mechanischem Blendenhebel

Canon Objektive steuern die Blende motorisch und brauchen einen Adapter mit elektronischem Interface. Es gibt da verschiedene Hersteller Lösungen aber im Endeffekt bedeutet es, eine zusätzliche Blackbox mit Bedienpotentiometer und Kabel zur Steuerung wie zur Stromversorgung. Dabei ist die kleinste mögliche Regelstufe dann nur 1/3 Blende und nicht besser als die Rastblenden mechanischer Fotoobjektive. Ein stufenloses Auf- und Abblenden ist unmöglich.

Canon Blendensteuerung von MTF zur Verwendung von EOS Objektiven an der Sony F5

Und zu guter Letzt:  Schon die Fotobajonettfassung ist ein Problem

Fotoobjektive werden auf dem Kamerabajonett aufgesetzt und durch Verdrehen mit der Kamera verbunden. Dabei drückt ein im Kameragehäuse angebrachter Federmechanismus gegen die Nuten des Objektivs und presst dieses durch Zug am Gehäuse fest. Die Verriegelung erfolgt meist durch einen gefederten Pin, der in einer Kerbe des Objektivs einrastet und je nach Hersteller etwas Spiel haben kann. Vorteil dieser Befestigungsart ist der direkte rechtwinklige Abschluss Objektiv Kameragehäuse; Nachteil ist die nicht wirklich kraftschlüssige Verbindung. Wer kräftig am Objektiv dreht, der spürt oft ein Spiel und wenn der Verriegelungs-Pin besonders bei günstigen Adaptern recht improvisiert gefertigt sind, dann wackeln größere Objektive auf Druck in der Fassung, ganz zu schweigen vom Auflagemaß.

Filmobjektive werden in der Regel durch einen Überwurf Flansch auf das Kameragehäuse gepresst. Das Objektiv muss dazu nicht gedreht werden. Der Flanschring braucht Platz an der Kamerafront, aber die Verbindung ist absolut fest und maßhaltig. Fotoobjektivfassungen, vor allem wenn noch Adapter verwendet werden, erfüllen hinsichtlich des Auflagemaßes oft nicht die gebotene Genauigkeiten für die Filmarbeit. Fotokameras gleichen Toleranzen durch ihr Autofokus System spielend aus. Bei der Filmarbeit aber macht sich schon bei einem 3fach Zoom fehlerhaftes Auflagemaß unangenehm bemerkbar. Also noch ein Grund für die Behauptung: Zoomen geht nicht. (Was geht: Brennweitenverstellung schon, mit anschließend notwendiger Blenden- und Schärfenkorrektur, was Zeit braucht).

Wer sich rechtzeitig mechanische Vintage-Foto-Objektive gesichert hat, die alle noch einen mechanischen Blendenverstellring haben, kann mit der Rastblende auch nicht wirklich stufenlos die Blende ziehen. Immerhin gibt es Firmen, die mit dem Deklicking einen Umbau anbieten und den Rastmechanismus entfernen.

Die hier getroffenen Aussagen basieren auf den Erfahrungen aus diversen Dreharbeiten mit Groß-Sensorkameras und Fotoobjektiven müssen aber nicht auf jede mögliche Gerätekombination zutreffen.