Lohnt sich der Umstieg auf die Sony FX9?

04. April 2020

Mit der FX9 wird der Autofokus nun auch für Kameraleute im Filmbereich zu einem ernsthaften Arbeitsinstrument. Bisher waren Autofokusmöglichkeiten bei der Filmarbeit immer mit einer gewissen Vorsicht zu genießen, funktionierten unter Umständen aber nicht sicher in allen Situationen, weil die Anforderungen grundsätzlich anders als in der Fotografie sind. Mit der neuen im Sensor integrierten Autofokustechnologie der Sony Alpha Fotokameras ist der FX9 Camcorder nun durch die Kombination von Kontrast- und Phasen-Detektion in Lage zuverlässig in den meisten Situationen die Schärfe für einen ausgewählten Sensorausschnitt zuverlässig ohne Überschwinger zu finden. Das funktioniert so gut, daß man mit einiger Erfahrung kritische Situationen, in denen die Autofokustechnik bei homogenen Bildmustern versagt, geschickt durch Abschalten umschiffen kann. Die Frage ist jetzt eher, wie bringe ich die Autofokustechnik durch welchen Schalter dazu, meinen Wünschen entsprechend zu arbeiten und welchem Bereich des Bildes soll der Autofokusspot berücksichtigen. Schon bei einem einfachen Interview ist der neue Autofokus sehr hilfreich. Wir kennen alle die Hampelmänner, die nicht ruhig auf dem Stuhl sitzen und sich alle Augenblicke vorbeugen und zurücklehnen. Als Kameramann ist man da extrem gefordert, wenn man permanent die Schärfe auf den Augen halten soll. Das erledigt jetzt die Kamera mit Hilfe von Gesichtserkennung und eingeschaltetem Autofokus von selbst.

Nach Stundenlangem Probieren habe ich für die Normalsituation eine handhabbare Einstellung gefunden. Am Handgriff ist die Taste 4 mit der Fokus-Vergrößerung (3x) belegt und hilft wie schon zuvor auch bei der FS7 bei der Beurteilung der eingestellten Schärfe, jetzt durch den neuen Sucher der FX9 in besserer Auflösung. Der Autofokus ist abgeschaltet, arbeitet also nicht dauerhaft. Die Autofokusmessung ist auf Spot in der Bildmitte festgelegt, die Gesichtserkennung hat Priorität. Die Taste 6 am Handgriff Innen (Mittelfinger) ist mit Pusch AF belegt und schaltet den Autofokus auf Druck ein. [Ist der Autofokus mit dem Schiebeschalter an der linken Kameraseite dauerhaft eingeschaltet, dann schaltet diese Taste auf manual Fokus, solange sie gedrückt wird.] Mit dieser Konfiguration kann man nun je nach Situation entscheiden, wohin man den Fokus wann legen möchte und ob man manuell mit der linken Hand eingreift und die Schärfe herkömmlich zieht. Die Reaktionsgeschwindigkeit lässt sich im Menü wählen. Weil der Autofokus Mess-Spot in der Bildmitte liegt, ist es sinnvoll den variablen Spot zusätzlich auf eine gut erreichbare Taste zu legen. Ich habe mir diese Funktion links unten auf die Taste 9 gelegt, weil man die schnell erreicht, wenn man auch die Hand in der Nähe des Schärfenrings haben will. Drücke ich die Taste 9 wechselt der Autofokus auf den variablen Spot, der zunächst auch in der Bildmitte liegt, aber aktiviert gelb umrandet leuchtet und in diesem Zustand beweglich ist. Mit dem Joystick am Handgriff lässt sich der Spot beliebig im Sucherbild verschieben und der AF wird wieder durch den Mittelfinger am Handgriff auf Taste 6 ausgelöst. Mit dieser Methode ist man beim Autofokus nicht auf die Bildmitte festgelegt und wenn man beispielsweise zwei Personen im Gespräch zeigt, kann man die linke oder rechte mit dem Spot auswählen und schärfen ohne die Einstellung zu ändern.

 

Linke Kameraseite unten links die Taste 9

Soll der flexible Spot wieder in die Mittelpositon (er muss gelb leuchen) muss man nur den Joystick etwas gedrückt halten und er springt in die Ausgangsposition zurück. Ansonsten bleibt der Spot immer da, wo er zuletzt war auch wenn man zwischendurch die Kamera abschaltet.

 

Der flexible AF Mess Spot in der Mitte aktiv zum Verschieben

 

Messung mit dem Spot auf der linken Seite, Fokus im grünen Bereich, unten der grüne Punkt.

Kritisch für den Autofokus sind alle homogenen Flächen ohne klare Strukturierung. Am besten für den Autofokus geeignet ist ein Zebra im Zoo. Nach entsprechender Übung kann man sehr schnell beurteilen, welche Strukturen im Motiv für den Autofokus ungeeignet sind, zu Überschwingern führen werden und wann man deshalb besser manuell eingreift. Eine Sache ist sicher: Leuchtet der Spotrahmen grün auf, mit einem zusätzlichem grünen Punkt links unten, dann ist es da auch wirklich scharf und man braucht die Sucherlupe zur Kontrolle nicht einsetzen.

Mit Dual Base ISO kommen zwei Grundempfindlichkeiten zurück, die bei der analogen Filmproduktion allgemein üblich waren, meist niedrig empfindliches Tageslichtmaterial (50ASA) und hochempfindliches Kunstlichtmaterial (500ASA). Dual Base ISO bei der FX9 bedeuten 800 ISO niedrig und 4000 ISO hochempfindliche Grundeinstellung. Bei beiden Einstellungen erzielt die Kamera das geringste mögliche Rauschverhalten. Erreicht wird das durch zwei unterschiedliche auf dem Sensor für jeden Pixel implementierte Schaltungszustände für die Ladungsauslese. Wie genau diese Technik im Detail funktioniert, darüber halten sich die Hersteller bedeckt und es gibt eine Reihe unterschiedlicher Patente mit verschiedenen Ansätzen. Panasonic hat diese Technik als erster Hersteller schon 2016 mit der Varicam LT eingeführt. 

Verstellt man bei einer Kamera mit nur einer Grundempfindlichkeit den ISO Wert, dann bewirkt das nur eine Signalverstärkung im herkömmlichen Sinn. Eigentlich ist es besser, die Verstärkung auf dB Wertanzeige umzustellen (geht in Slog nicht), damit ganz klar ist, daß wie bei einer traditionellen EB-Kamera verstärkt wird, was natürlich auch den Rauschanteil anhebt. Im analogen Film wird entsprechend durch eine Push-Entwicklung eine Unterbelichtung ausgeglichen mit dem Nachteil gröberen Korns.    

Warum ist Dual ISO ein Vorteil? Die Sony FS7 hat eine Grundempfindlichkeit von ca.2000 ISO. Das ist eine ganze Menge, aber bei normaler abendlicher Zimmerbeleuchtung und 1/50 Belichtungszeit reicht die Empfindlichkeit oft gerade für Blende F2.8.  Zoomobjektive mit durchgehender Blendenöffnung F2.8 gibt es nur mit dem Faktor 2 maximal 3. Alle handhabbaren Zooms mit größerem Zoombereich haben eine kleinere Öffnung von  F3.8 bis 4.0.  Deshalb ist die zusätzliche Empfindlichkeit + 1 Blendenstufe der FX9 ein wichtiger Zugewinn für alle Dreharbeiten in Räumen, denn das Lichtlevel der künstlichen Beleuchtung hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht wesentlich geändert. 2/3“ Kameras haben selbst bei einem 15fach Zoom eine durchgängige  Blendenöffnung von F1.7 und waren den heutigen Möglichkeiten überlegen, hatten aber immer eine viel größere Schärfentiefe.

Die Menüführung wird mit allen neuen Möglichkeiten zwangsläufig immer komplizierter und weil mit dem Einen das geht und mit dem Anderen aber nicht, ist es auch nicht einfach, schnell die richtigen Einstellungen zu finden. Es empfiehlt sich dringend, nicht erste am Drehort die Systemparameter einzustellen, denn wer sich unter Stress in die verschiedenen Menüebenen begibt, der kommt darin um. HD 50i geht zum Beispiel nicht: Man muss auf FF2K gehen, Systemfrequenz 50, XAVC-I und dann beim Videoformat 1920i x 1080 wählen. Weil das Menü selbstständig ergänzt, was unter den bereits gewählten Parametern noch geht, kann es sein, daß man plötzlich UHD eingestellt hat, obwohl man vorher mit HD anfing. Es braucht ein wenig Geduld, die richtigen Einstellungen zu finden. Übrigens: 24p als Bildfrequenz geht nicht (Venice kaufen), wenn es 1/1000stel weniger sein kann, dreht man auf 23.97.

 

Die Kamera steht auf Full Frame 6K, 25 Bilder XAVC 3840x2160P und wir wollen umschalten auf eine HD Fernsehaufzeichnung mit 50i, dabei aber wegen dem Bildwinkel den vollen Sensor nutzen. Am besten verändert man die Parameter in der aufgeführten Reihenfolge, weil sie gegenseitig beeinflussen.

Zunächst ändert man die Frequency in 50Hz, für europäische Verhältnisse gibt es nur 50 oder 25.

 

Die Kamera übernimmt den Wert und verändert dabei den Scanmode auf Super35:

 

Wir brauchen aber den Vollen Sensor und wählen jetzt FF2K

 

Das wird akzeptiert, dabei schaltet aber die Kamera von 4K auf HD 1920x1080, jetzt aber in progressiv. Das letzt sich dann in einem letzten Schritt auf Interlaced ändern. Dieses Beispiel zeigt, wieviele Schritte notwendig sein können, um ein Format einzustellen. Am besten speichert man sich die Einstellungen auf einer SD Karte ab. Ich habe das Profil mit FF2K_XAVC-I_HD50i benannt


 

Obwohl ich nicht ein Fan von Anglizismen bin, es empfiehlt sich das Menü in Englisch zu bedienen, denn die deutsche Übersetzung ist ambitioniert aber manchmal führt sie am Ziel vorbei und macht das Verständnis unter Umständen schwierig.      

Endlich funktioniert bei der FX9 das WLAN-Modul ohne Zusatzgerät und man kann über das Smartphone nicht nur die Kamera fernbedienen sondern auch ein Live-Bild sehen. Es gibt verschiedene Methoden sich mit dem Smartphone zu verbinden, besonders einfach durch NFC indem man das Smartphone an die Kameraseite neben den Holdschalter hält. Auf dem Smartphone hat man „Imaging Edge Mobile“ von Sony installiert. Das Problem mit allen WiFi Verbindungen ist bei dieser Sony Kamera wie auch bei vielen anderen Anwendungen: Sie funktionieren, aber eben nicht immer. Mehrmals ist mir relativ schnell eine Verbindung gelungen, um dann beim nächsten Mal mit hohem Aufwand nicht mehr herstellbar zu sein. Auf etwas, das einem aus welchem Grund auch immer nicht zuverlässig gelingt, sollte man in der professionellen Arbeit verzichten. Immer wieder hat es mit App Steuerungen grundsätzlich Probleme gegeben. Sie rangieren vorläufig weiter in der Ecke Spielzeug.

Sony muss grosse Not leiden und sich aus dem Verkauf von Akkus finanzieren. Dafür sprechen alle Bemühungen, alternative Akkulösungen zu verhindern oder den Kauf günstiger OEM Ware zu unterbinden. Erst wurde in die überteuerten 12V Akkus ein Chip eingebaut, den die Kamera abfragt, nachdem sie hochgefahren ist. Bekommt sie die falsche Antwort schaltet sie sich wieder ab. Diesen Chip haben die Fremdakkuhersteller (bisweilen sind es die gleichen) jetzt auch in ihre Akkus eingebaut. Andere Kunden haben einfach V-Mount Halterungen genommen und ihre Akkus über den DC-In Eingang mit der Kamera verbunden. Bei der FX9 wollte Sony das unterbinden und hat den DC Eingang jetzt für 19.5V ausgelegt (vielleicht weil man von den Laptop Computern die entsprechenden Netzgeräte auf Lager hat). Intern muss das dann wieder auf 12V Betriebsspannung reduziert werden, denn der Einsteckakku hat auch nur 12-14.4 V. Wer V-Mount Akkus nutzen will, der muss jetzt wieder in die Tasche greifen und um die 400 Euro für einen Adapter mit entsprechender Umspannung auf den Tisch legen (es gibt sie von Anton Bauer/Woodencamera/Movcam/Bebob und vielen anderen – noch nicht lieferbar).                        

 

Eines ist erfreulich. Der Tragegriff der Kamera wurde gegenüber der FS7 nicht geändert, er hat die gleichen Maße und in der Befestigung die gleichen Schraubenlöcher, so daß Topplatten von der FS7 auch auf der FX9 passen müssen. Seitlich ist die FX9 etwas dicker. Auch stehen die XLR Stecker seitlich hervor, weil sie gegenüber der FS7 angewinkelt sind. Die XLR Tonerweiterungen XLR-K1/2/3M funktionieren über den Hotschuh der FX9 problemlos und lassen ein Belegen der Tonkanäle 3 und 4 mit externen Signalen zu. Die FX9 hat jetzt auch Regler für die Tonkanäle 3 und 4. Wird ein XLR-K Adapter verwendet, dann sind die Kameraseitigen Tonregler für Kanal 3 und 4 deaktiviert.

Als neues Bedienelement ist ein Jog-Dial Rad hinzugekommen, das ungefähr dort sitzt, wo bei der FS7 das Filterrad angeordnet war. Dieses Auswahl-Rad kennen wir schon seit Jahren von den kleinen Sony Camcordern. Veränderbare Parameter, die im Sucher angezeigt werden, können mit diesem Auswahlrad der Reihenfolge nach angewählt werden (sie sind gelb unterlegt), durch Drücken aufgerufen werden (weiß unterlegt) und durch Drehen verändert werden. Damit gibt sich auf viele Einstellungen ein schneller Zugriff direkt über den Sucher ohne ins Menü gehen zu müssen.

veränderbarer Parameter gelb unterlegt

weiss unterlegte Parameter können verändert werden

verschiedene Auswahlmöglichkeiten werden als Liste angezeigt

Von den 2/3“ Camcordern kennen wir Zoomobjektive mit Doppler. Für S35 oder gar Vollformat gibt es keine Objektive mit diesen einschwingbaren optischen Verdoppler-Elementen. Dennoch hat man bei der FS7 und der FS5 ähnliches durch Verkleinern des Sensor-Scanbereiches auf die Bildmitte erzielen können, einen Bereich der ungefähr dem 16mm Format entspricht und auch von 16mm Objektiven ausgezeichnet wird. Bei der FX9 gibt es eine ähnliche Möglichkeit. Man kann den Vollformatbereich des Sensors auf S35 verkleinern und erzielt durch den engeren Bildwinkel eine zusätzliche Telewirkung. Leider verstärkt sich im gleichen Zug deutlich das Bildrauschen in den dunklen Bildpartien bei sonst völlig gleichen Einstellungen.

Voll Format Sensor, SLog3, unterbelichtetes Bild (Lowlight Level)

Gleiche Kameraposition, Zoom zurück auf gleichen Bildausschnitt, S35 Sensor Ausschnitt, sonst alle Einstellungen identisch wie Bild davor: man sieht einen deutlich stärkeren Rauschanteil

Ausschnitt aus dem Bild mit Vollformat

Ausschnitt aus dem Bild mit S35 Ausschnitt

Hier ein Tipp: Will man den S35 Bereich mit dem engeren Bildwinkel verwenden, dann unbedingt auf Scanmode: S35 4K einstellen. Davon unberührt kann man weiterhin das Raster 1920 x 1080 für HD verwenden, sowohl progressiv wie interlaced. Mit dieser Einstellung hat man nicht das Rauschproblem.

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