Filmtipps fürs 35. Dokfest München 2020

4. Mai 2020
Dokfest 2020 @home, Festival Leiter Daniel Sponsel bei der Online-Pressekonferenz

Am Mittwoch dem 6. Mai eröffnet das 35. Internationale Dokumentarfilmfestival München im Deutschen Theater in München um 20 Uhr ohne Publikum mit einer Onlineübertragung. Als Mitte März klar war, dass ein Festival Anfang Mai wegen der Corona Kriese nicht stattfinden kann, blieb neben Absagen nur die Option einer Online Version. Da war die gesamte Planung schon fertig und ein großer Teil der organisatorischen Arbeit schon geleistet. Von der Online Version waren dann auch die Geldgeber angetan und so findet das grosse Experiment nun in etwas reduzierter Form statt, denn ungefähr 25% der Filmeinreicher haben aus welchen Gründen auch immer ihre Filme zurückgezogen.

Die Filme können (bis auf wenige zeitlich beschränkte Ausnahmen) von Donnerstag dem 7. Mai bis zum 24. Mai Online geschaut werden. Dazu bedarf es einer Anmeldung mit E-Mailadresse über die Seite des Dokfests. Die Filme sind nur in Deutschland verfügbar, einige auch nur für eine vom Rechteinhaber definierte Anzahl von Zuschauern. Nach dem ersten Start des Films kann jeder Zuschauer den Livestream des Films unterbrechen und innerhalb von 24 Stunden zu Ende bringen. Ein Herunterladen des Films ist aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Ein Wasserzeichen macht eine illegale Weiterverbreitung nachvollziehbar. Die Tickets kosten pro Film 4,50 @ mit einer Kinospende 5.50 €. Bezahlt wird über Paypal oder mit Kreditkarte. Eine Festivalkarte für 50,-€ berechtigt zum Anschauen aller Filme.

Das 35. Dokfest München 2020 in Zahlen (2019 in Klammern):

121 Filme   (159)

42   Länder  (51)

21   Weltpremieren  (30)

69   Deutschlandpermieren  (79)

14   Wettbewerbe und Preise   (15)

0     Spielorte in München   (20)

87   Filmgespräche   (71)

??    erhoffte Besucher     (52.000)

Leider waren die Filme erst mit der Vorstellung des Programms auch für eine Vorbesichtigung Online verfügbar, so dass sich in diesem Jahr wegen der knappen Zeit die Zahl der hier vorgestellten Filme auf 20 beschränkt. Als der Presse noch Ansichts-DVDs ausgeliehen wurden – das waren oft die DVDs die für die Vorauswahl eingereicht worden waren - hatte man mehr als 4 Wochen Vorlaufzeit und konnte umfassender und stressfrei seine Auswahl treffen. Diese ist hier recht zufällig und mit 20 Filmen, das ist ein Sechstel des Programms (16,7%), nicht unbedingt repräsentativ. 

Einfaches Mittel, frappierende Wirkung, eine Fahrt auf den Kopf gestellt in PARIS – KEIN TAG OHNE DICH

 

Kein Kommentar

Keiner der hier vorgestellten Filme verwendet einen Kommentar. Kommentar ist suspekt, vor allem im Dokumentarfilm und für die Festivalteilnahme ist er ein ungeschriebenes Ausschluss Kriterium. Warum ist das so? Kommentare behaupten und unterstellen den Bildern Dinge, die sich der Autor denkt. Mit dem primitiven Mittel des gesprochenen Worts drängt der Filmemacher die Zuschauer in eine bestimmte Richtung und spart sich die Arbeit, seine Informationen bildlich zu belegen. Kommentar ist ein beliebtes Stilmittel des Fernsehens, wo auch das Offensichtliche kommentiert werden muss, weil die Fernsehmacher allgemein eine geringe Meinung von den mentalen Fähigkeiten ihrer Zuschauer haben. Dokumentarfilm ohne Kommentar bedeutet leider nicht, dass der Dokumentarfilm wahrhaftiger geworden ist. Die Dokumentarfilmer sind heute nur raffinierter im Umgang mit ihren Mitteln. Das Bild ist für den Zuschauer längst nicht mehr ein visuelles Ersterlebnis mit Individualerfahrung. Film und Fernsehen haben Bilderwelten erschaffen, die im kollektiven Gedächtnis unabhängig von einzelnen Filmen existieren und gemeinsamen Stimmungslagen zugeordnet werden können. Man kann sich das wie Memory Kärtchen vorstellen, bei denen Bilder bestimmte Themen symbolisch darstellen. In manchen Filmen werden jetzt diese Symbolbilder aufgerufen um bestimmte Themen abzuhandeln. Inzwischen sind in manchen Filmen die Bilder selbst zum Kommentar geworden.

Die Kameraarbeit findet allgemein auf hohem Niveau statt und das Beherrschen einer Bildspache ist eine Allgemeinkompetenz der jungen Generation. Es gibt mehrere Filmpassagen im Nebel (VIVOS / UTA) und sehr oft eine mit der Wasserwaage austarierte Perspektive, wie in der Architektur-Fotografie deutlich beeinflusst von der Düsseldorfer Photoschule. Schattentheater wie von Lotte Reiniger ist eines der neueren Mittel neben Animation, um schwierigen Themen zu Leibe zu rücken (PARIS – KEIN TAG OHNE DICH / HALB TRAUM). Manchmal müssen die Mittel nicht aufwendig sein und eine nur auf den Kopfgestellte Autofahrt in Paris (Paris – kein Tag ohne Dich) versetzt einen augenblicklich in die verrückte Situation der Protagonistin.

In zwei Filmen findet ein Perspektivwechsel zwischen Macher und Protagonist in der Szene statt. Der Gefilmte dreht die Kamera um und befragt den Macher (Halb Traum / Walchensee for ever).

China ist unausgesprochen das Land des Dokfests 2020, ob sie nun die Einwohner von Hongkong unter Kontrolle bringen wollen (Honkong Moments), in Afrika aktiv sind (Days of Cannibalism), einen Tunnel in Georgien bauen (A Tunnel), eine Minderheit umsiedeln (Qiang`s Journey), oder als Künstler am Alltag leiden (Halb Traum), kein anderes Land ist so vielfältig in dieser Auswahl vertreten.

 

 

 

BABENCO: TELL ME WHEN I DIE   [Portrait, Filmgeschichte, Lebensrückblick]

Es könnte der offizielle Corona Film dieses Festivals sein, beginnt er gleich mit einem Tropf im Krankenhaus. Filmregisseur Hector Babenco leidet an Krebs und spielt hier selbst in seinem letzten Film die Hauptrolle, die eine Reise durch das eigene Leben ist und seine inszenierten Filmszenen mit der Realität des eigenen Alltags verbindet. Das alles geschieht in gut durchdachten Schwarzweißbildern und gänzlich ohne Interviews mit Webbegleitern und Zeitzeugen, was sich angenehm bemerkbar macht und den Film von den Konventionen biographischer Dokumentationen abhebt.

Sehenswert:***

 

 

HONG KONG MOMENTS  [Fremde Welten, Politik]

In Hongkong geht es um die Unabhängigkeit von China, und um einen Verlauf zu dokumentieren, sucht man sich unterschiedliche Protagonisten mit unterschiedlichen Ansichten: einen

Taxifahrer,  eine Lokalpolitikerin für Unabhängigkeit, einen Lokalpolitiker pro China, einen Aktivisten anonym, einen Sanitäter, einen Polizist und eine Teehausbesitzerin. Es gibt Kommunalwahlen bei denen die junge Politikerin gewinnt, ein Lichtblick in dem vielen Durcheinander. Es gibt sehr viele Actionszenen in diesem Film, Gerenne von links nach rechts und umgekehrt und irgendwann merkt man, es geht um Größeres, daß sich mit dem beschränkten Kamera Ausschnitt  nicht darstellen lässt, auch die Zeitlupen und Drohnenaufnahmen helfen wenig, obwohl sie  verlangsamen und einen Überblick über die City geben. Tipp: Vor dem Film nochmal Wikipedia lesen.

Sehenswert:***

 

 

QIANG'S JOURNEY  [Minderheit, China, Veränderung]

Ein Topos des Dokumentarfilms ist die Vertreibung aus dem Paradies und immer wieder gibt es Filme, die solche Szenarien vorstellen und zeitlich begleiten. Im Hochland an der Grenze zu Tibet lebt die Qiang Minderheit ein karges bäuerliches Leben. Nach dem Erdbeben von 2008 mit 70000 Toten sollen die Menschen aus dem gefährdeten Gebiet umgesiedelt werden.  Das läuft perfekt organisiert mit vielen Militär-LKW typisch Chinesisch ab. Aber nach einiger Zeit sind die Alten mit der Umsiedlung nicht zufrieden und besuchen die Gräber ihrer Ahnen in den Bergen um die Geister und Götter in ihr neues Zuhause zu bringen. Ein beobachtender Dokumentarilm zwischen traditionellem Landleben und ländlicher Zivilisation.

Sehenswert:****

 

 

VIVOS    [Fremde Welten, Politik, Verbrechen]

43 Studenten sind 2014 in Mexico verschwunden, ein Verbrechen das weltweit für Aufsehen sorgte. Der Film nähert sich dem Fall sehr behutsam an, mit Bildern im Nebel, der sich dann sprichwörtlich lichtet. Man lernt zuerst sehr intensiv die Angehörigen der Opfer kennen in ihrem Alltag kennen, durchweg einfache Leute mit bäuerlichem Hintergrund, deren Söhne für das Lehrerstudium an einem fortschrittlichen Ausbildungsseminar durch körperlichen Einsatz in der Landwirtschaft die Studiengebühren begleichen konnten.  Nur hin und wieder geben Aktivisten von Menschenrechtsorganisationen Auskunft über Hintergründe. Im Wesentlichen bleibt dieser Film bei den Familien, die durch ihren unermüdlichen Einsatz eine vollständige Aufklärung erzwingen wollen und immer noch hoffen, daß die Kinder lebend zurückkehren könnten.

Sehenswert:****

 

 

ACASA, MY HOME     [Familienportrait, Veränderung]

Mitten in Bukarest gibt es ein zwei Quadratkilometer großes Sumpflandgebiet das zu Zeiten Ceaușescu mit einem hohen Damm eingegrenzt wurde, um daraus einen Stausee zu machen. In diesem vergessenen Stück Land (in Vacaresti) wohnt seit 18 Jahren eine Familie mit mittlerweile  9 Kindern in einer Behelfsunterkunft. Vali ist der älteste Sohn und ihm obliegt es, die Geschwister im Blick zu haben. Mit ihnen flüchtet er ins Schilf, wenn die Fürsorge zu seinem Prüftermin anrückt. Für die Kinder ist es ein Paradis mit mehreren Seen, Schwimmen und Fischen. Weil dann aus dem Areal ein Naturschutzgebiet entstehen soll rücken Prominente wie der Premierminister und auch Prince Charles an, misstrauisch von der Familie beäugt. Diese muss schließlich in eine Wohnung umziehen, die Kinder gehen in die Schule und Vali der Älteste arbeitet als Ranger im neu entstandenen Naturpark. Die Filmemacher begleiten und beobachten die Familie über Jahre hinweg, und stellen hinter allem die Frage, kann der Einzelne dem Druck der Zivilisation entkommen.

Sehenswert:*****

 

 

PASSION – ZWISCHEN REVOLTE UND RESIGNATION    [Lebensrückblick, 68er]

Es ist der typische Rückblick eines Spät68ers auf sein Leben, den hier der Filmemacher mit einer Collage fotografisch gut gestalteter Bilder unterfüttert, um aus dem speziell eigenen Leben eine allgemein gültige Bilanz für seine Lebenszeit zu ziehen. Dabei werden alle wichtigen Stationen der letzten 50 Jahre gestreift. Eingerahmt wird das Ganze in die Aufführung der Matthäuspassion. Interessant an dem Film sind Bild-Ikonen, die durch stete Wiederholung sich im kollektiven Gedächtnis geprägt haben und würde nicht erst im Abspann klar, daß viele der aufgesuchten und im Bild vorgestellten Örtlichkeiten dem Tourneeplan der Musiker entsprechen, man würde denken, hier hat jemand die Bildarchive nach Typischem geplündert, obwohl vielleicht die Literaturzitate der Stimmungslage näher kommen, wie Brechts Gedicht an die Nachgeborenen: wirklich ich lebe in finsteren Zeiten.

Sehenswert:****

 

 

UTA   [Portrait, Straßenkünstlerin]

Erst Tot geglaubt, dann nach einer schwierigen Geburt ohne Haare und ohne jeglichen Reflex 1948 auf die Welt gekommen, hat Uta dann doch eine glückliche Kindheit im Dorf erlebt. Dieser Film portraitiert die Malerin, Dichter und Sängerin Uta Pilling, die mit dem Kollegen Jens Paul Wollenberg zusammenlebt und jetzt fast erblindet ist. Man lernt eine starke, selbstbewusste Frau kennen, aber manchmal gleitet das Forschen in der eigenen Biografie ins Banale ab, und spätestens wenn das Heimkino mit Filmen aus den 90er Jahren aufgebaut wird, stellt sich die Frage, ob es nicht manchmal besser ist, wenn das Private im Privaten bleibt.

Missbrauch durch den Vater.

Sehenswert:**

 

 

VATER MEIN BRUDER   [Demenz, Vaterfilm]

Einen Film über den eigenen Vater zu machen, gehört heute zu den Aufgaben, die ein Sohn erledigen muss. Zeit seines Lebens hat der Vater die Familie fotografiert und gefilmt und jetzt nimmt der Sohn die Kamera in die Hand und dreht  das Gerät um. Der Vater hat Alzheimer und das Vergessen hat schon begonnen. Gemeinsam machen sie noch eine letzte Reise zu Orten, die den Vater stark geprägt haben. Immer wiederkehrende Silvesterfeiern lassen die Jahre vergehen, der Vater vergisst immer mehr und der Sohn wird in dessen Vorstellungswelt zum Bruder. Die Alzheimer-Jahre werden zu den bestdokumentierten Erinnerungen, weil der Pflegedienst mit wechselndem Personal in den Kalendern jeden Tag umfassend dokumentiert. In seiner Erzählweise trifft der Sohn immer wieder instinktiv den richtigen Ton ohne ins banale abzugleiten, das macht diesen Film trotz aller Tragik auch unterhaltsam.

Sehenswert:****

 

 

PARIS – KEIN TAG OHNE DICH   [Lebensrückblick, 68er, Überwachung]

Ulrike trifft in Paris ihre Jugendliebe Jean Marie wieder. Das wäre nichts so außergewöhnlich, würde nicht die Folgen eines gemeinsamen Erlebnisses von 1975 ihr bis in die heutige Zeit nachhängen. Als sie eines Abends in Paris noch auf eine Party gehen wollen, geraten sie an einen Terror-Tatort, an dem Carlos zuvor drei Polizisten erschossen hat, und beide machen sich für die Folgezeit zu Verdächtigen. In diesem Film versucht Ulrike die traumatischen Erlebnisse von damals aufzuarbeiten und beschreibt die Folgen der unbegründeten Verdächtigungen und wie sich einmal erfasste Daten unkontrolliert verselbstständigen können. Sie erzählt ihre Geschichte mit Fotos, Tagebucheintragungen, Briefen, Gesprächen und mit einem Schattentheater in interessanter nie langweiliger Form.

Sehenswert:****

 

 

THEY CALL ME BABU   [Geschichte, Arbeitnehmer]

Zunächst glaubt man einen historischen Dokumentarfilm zu sehen. Aber nur die Filmaufnahmen sind Geschichte und die Story ist neu erfunden. Das fiktives Kindermädchen Alina aus dem Indonesien der 1940er Jahre schreibt ihrer Mutter einen Brief von ihrer Arbeit als Kindermädchen bei einer Holländischen Familie, von einer Schiffsreise nach Holland mit Station bei den Pyramiden, von Holland, den Deichen und den Stäten und der Rückkehr nach Indonesien und dem Einmarsch der Japaner. Historisches Filmmaterial ist scheinbar in Hülle und Fülle vorhanden, so dass sich der Alltag einer holländischen Familie und des Personals durchgehend erzählen lässt.

Sehenswert:***

 

 

THE LETTER   [fremde Welten]

Es beginnt mit einer Facebook Nachricht, ein Älterer würde die Kinder in der Familie umbringen, weshalb Karisa Kamango von Mombasa ins Elterndorf fährt, um nach dem Rechten zu sehen. In der weit verzweigten Familie wird seiner Großmutter Hexerei unterstellt und jetzt versucht der Enkel mit allen Mitgliedern der weit verzweigten Familie zu reden und die Vorwürfe aufzuklären. Diese können letztlich tödlich sein. Immer wieder werden Ältere unter dem Vorwand der Hexerei angegriffen und ermordet, letztlich oft aus wirtschaftlichem Interesse. Mit der Reise des Enkels lernt man den Alltag der 95 jährigen Großmutter kennen, die Familiensituation bis hin zu einer Austreibungszeremonie.

Sehenswert:****

 

 

OVERSEAS   [fremde Welten, Arbeitnehmer]

Haushaltshilfen sind ein Exportschlager der Philippinen. In einer Schule werden die jungen Frauen auf ihre Tätigkeiten im Ausland vorbereitet und erlernen neben dem Servieren, der Baby und Krankenpflege auch das richtige Verhalten im Kriesenfall, sollten die Auftraggeber übergriffig und verletzend werden. Durch den Erfahrungsaustausch unter den 12 Schülerinnen, von denen schon viele in Übersee waren, erfährt man nebenbei viel über das Verhalten der Arbeitgeber. In Rollenspielen üben sie typische Situationen ein und man ahnt, wie wenig zimperlich in dieser Branche mit den Arbeitnehmern umgegangen wird.

Eine gelungene Methode eine wichtige Thematik en passant in einen Film einzubetten.

Sehenswert:****

 

 

A TUNNEL   [Veränderung, Beobachtung]

Mitten im Georgischen Bergland baut eine Chinesische Firma einen Eisenbahntunnel zur Begradigung einer vorhandenen Bahnstrecke als Teilprojekt der neuen Seidenstrasse. Die Dorfbewohner werden hinsichtlich des Trassenverlaufs der Neubaustrecke über Jahre im Unklaren gelassen und beäugen misstrauisch die Chinesen und die Bergschäden des Tunnelbaus, die ihr Ackerland bedrohen.

Sehenswert:****

 

 

SUSPENSIÓN   [fremde Welten, Veränderung]

Mitten im Urwald steht eine riesige Brücke in den kolumbianischen Anden, ein vorläufig aus Geldmangel gestopptes Prestigeprojekt. Eine der Welt gefährlichsten Straßen von Mocoa nach San Francisco sollte durch einen Bypass entschärft werden.  Dazu lernt man ein paar Leute kennen, die die neue Route planten, die Brücke bauen oder unter ihr Leben und bei Fertigstellung abgeschnitten sind. Am Schluss bleiben nur die Brücke und die Besucher, die am Wochenende einen Ausflug zu der Bauruine unternehmen, um Selfies zu machen.

Sehenswert:**

 

 

DAYS OF CANNIBALISM   [fremde Welten, Kolonialismus]

Lesotho ist ein eigenständiges Königreich und vollständig von Südafrika umschlossen. Wirtschaftsleistung und Prokopfeinkommen liegen weit hinter anderen afrikanischen Ländern zurück. Chinesen haben sich angesiedelt und betreiben Geschäfte und Unternehmen und dabei prallen eine rückständige Agrikultur und der chinesischem Kapitalismus aufeinander. Der Filmemacher beobachtet diesen Prozess aus beiden Perspektiven.

Sehenswert:***

 

 

IL PIANETA IN MARE   [fremde Welten, Veränderung]

Dieser Collagenfilm stellt Leben und Arbeiten in Marghera , dem Festlandsteil von Venedig vor, der hauptsächlich von Industriebetrieben geprägt ist. Neben einer großen Petro-Chemiefirma gibt es auch eine Werft für riesige Kreuzfahrtschiffe. Getragen wird der Film von verschiedenen Personen des alltäglichen Lebens, einer Bistro Chefin, einem Startup-Betreiber, Technikern einer Chemiefirma, LKW-Fahrern, Fischern und Werftarbeitern, die mehr oder weniger intensiv vertreten sind. Marghera war in den späten Nachkriegsjahren ein Angelpunkt des italienischen Wirtschaftswunders und deshalb auch heroisch abgelichteter Schauplatz für Wochenschauaufnahmen, weshalb es genügend historisches Bildmaterial gibt. Jetzt spürt man eine Phase des Umbruchs und Wandels mit Abrissen und Geschäftsverlagerungen.

Sehenswert:****

 

 

THIS TRAIN I RIDE   [Beobachtung]

Hobos, die Güterzug fahrenden Wanderarbeiter und Landstreicher in den USA sind schon lange Geschichte, so glaubt man. Es gibt sie noch und es sind nicht unbedingt Männer. Der Filmemacher begleitet mit seiner Kamera drei Frauen, für die das Trampen auf Zügen ein Teil ihrer Lebensverwirklichung ist.

Sehenswert:**

 

 

RUN LIKE A GIRL   [Sport, fremde Welten]

Kenya ist bekannt für seine Marathon Läufer und das Hochland bietet ideale Trainingsvoraus-setzungen. Visiline Jepkesho ist ab 2014 ein kommender Star der Marathon Szene. Der Film begleitet die Sportlerin vor allem daheim in ihrer grossen Familie, die sie durch ihre Preisgelder mitfinanzieren muss. Sie baut für sich und ihren Mann ein Steinhaus und überlegt, wie sie für eine sichere Zukunft ohne Sport investieren kann. Im Hintergrund agiert eine Sportmanagement Firma aus Italien.

Sehenswert:**

 

 

MATING   [Beziehung, Social Media]

Naomi und Edvin, zwei junge Schweden sind um die Jahrtausendwende geboren und sollen an einem Projekt der Filmemacherin über Beziehungen und Sozial-Media teilnehmen, welches eine Selbstbeobachtung verschiedener Personen einschließt, die sich gar nicht kennen sollen. Wegen eines technischen Problems muss Edvin Naomi aushelfen und treffen, und sie lernen sich kennen und lieben. So wird die Beziehung aus zwei Perspektiven gefilmt und erzählt mit allem, was auf den Sozial Mediakanälen an Kommunikation läuft. Unter der modernen Oberfläche von Messages und Chats sind die Beziehungsprobleme alt bekannt und traditionell, nur der Umgang und die Offenheit damit sind ungewohnt.

Sehenswert:***

 

 

UNSKINNED   [Arbeitswelt, Beobachtung]

Unskinned zeigt ein archaisches Handwerk in all seinen Facetten. In einer Gerberei in Portugal werden Tierfelle zu Leder verarbeitet und an den verschiedenen Prozessen kann man als Beobachter Teil haben. Weil die Gerberei nicht mehr auf dem Stand der modernen Technik ist, droht ihr die Schließung. All das erfährt man aus den Gesprächen der langjährigen Angestellten, die man am Rande auch in ihrem häuslichen Alltag kennen lernt.

Sehenswert:****

 

 

WORKHORSE   [Arbeitswelt, Landwirtschaft]

Der Titel sagt alles, was dieser Film uns präsentiert. Arbeitspferde im Wald, auf Acker und Feld und schließlich bei einem Wettbewerb, denn für jedes noch so ausgefallene Hobby will man schließlich wissen, wer der Beste ist. Arbeitspferde sind in der modernen Landwirtschaft ein Anachronismus, aber es gibt Leute, die das Pferd in ihre alternative Lebensweise sinnvoll eingepasst haben und mit ihnen können wir daran unsere Freude  haben. Alles ist in schönen Schwarz-Weiß Bildern wohl komponiert festgehalten.

Sehenswert:**

 

 

HALB TRAUM   [Kunst, Lebensentwürfe]

Die Filmemacherin ist nach einem Kunststudium in Peking nach Deutschland gekommen, um hier ihre Ausbildung in einem fremden Land fortzusetzen.  Jetzt fährt sie zurück und  sucht mit 10 Jahren Abstand ihre Studienfreunde von damals auf, mit der Frage, was aus ihrer Kunst und ihren Träumen geworden ist. So fremd China mit seiner anderen Kultur sein mag, die Schwierigkeiten der Künstler mit der Verwirklichung ihrer Träume sind identisch mit den unseren.

Sehenswert:*****

 

 

LOST IN FACE   [Portrait, Behinderung]

Es ist schwer vorstellbar, daß es Menschen gibt, die Gesichter nicht erkennen können. Die Münchner Carlotta leidet genau unter diesem Defizit, zeichnet aber dennoch das eigene Gesicht, indem sie es mit der einen Hand abtastet und mit der anderen das Erfühlte zu Papier bringt. Überhaupt ist Carlotta sehr kreativ und hat sich in ihrem Leben in den verschiedensten Berufen probiert, als Pferdewirt, LKW- und Betonmischerfahrer und Filmvorführer. Diesen Portraitfilm hat ein Neurologe von ihr angefertigt und mit so vielen Aspekten angereichert, dass man ob der Fülle zum Staunen kommt dabei aber das Wesentliche der Geschichte aus den Augen verliert. Im Gedächtnis bleibt Carlottas Erzählung vom Pausenende in der Schule. Beim Klassenweisen Aufstellen hat sie sich sehr oft der falschen Gruppe angeschlossen. Mit Zeichentrickanimation versucht der Filmemacher die Problematik nicht erkennbarer Gesichter zu visualisieren.

Sehenswert:***

 

 

WALCHENSEE FOREVER   [Familienportrait, 68er]

Oma, Mutter, Tochter und ein Cafe am Walchensee. So beginnt der Familienfilm. Gott sei Dank hat die Mutter an der Bayerischen Staatslehranstalt Fotografin gelernt und die Tochter an der HFF studiert, so daß eine Menge Bildmaterial vorhanden ist. Und ehe das Interesse am individuellen Schicksal zu erlöschen droht öffnet sich mit Rainer Langhans und der 68er Bewegung die Geschichte in eine größere Dimension und am Ende stellt sich die Frage wie bei allen Bilanzfilmen, habe ich das richtige Leben gelebt.

Sehenswert:****

 

 

LETZTES JAHR TITANIC   [DDR, Wiedervereinigung]

Die Ereignisse dieses Films liegen schon 30 Jahre zurück und spielten sich im letzten Jahr der DDR zwischen 1989 und 1990 in Leipzig ab. In dieser Umbruchzeit beobachtet das Filmteam eine Bierstube, eine Gießerei, Hausbesetzer und eine Journalistin. Gedreht in Schwarz-Weiß und 4:3 als die letzte Produktion des DEFA Studios für Dokumentarfilm.

Sehenswert:****

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