Vorsicht bei Arriflex 35 Kameras mit niedrigen Seriennummern, angeboten als Wehrmachts-Kameras

20. November 2021

PK Berichterstatter Horst Grund mit seiner Arriflex 35, wahrscheinlich 1941 (Foto: Horst Grund privat)

Hin und wieder tauchen in Internet Angeboten früher Arriflex 35 Kameras auf, denen ein besonderer historischer Wert zugeschrieben wird, weil sie eine niedrige Seriennummer haben. Oft handelt es sich dabei um Modelle, die nur bedingt dem historischen Original-Zustand entsprechen, den die Seriennummer vorspiegelt. Auch wenn die Firma Arri an Hand der Seriennummer ein bestimmtes Produktionsdatum und einen Erstkunden zuordnen kann, bedeutet das nicht, dass die Kamera noch im Zustand der Auslieferung ist. Die Arriflex 35 wurde ab 1937 geliefert und nach vielen Modifikationen und Modellverbesserungen erst 50 Jahre später in den 1980er Jahren eingestellt.

Bei einem so hochwertigen Produktionsmittel war es selbstverständlich, dass ein Gerät in Hinblick auf Verbesserungen in der Baureihe aktualisierbar bleibt, und weil die Kameras wertvolle Produktionsmittel waren, haben viele Besitzer ihre Kameras immer wieder an die Verbesserungen anpassen lassen, die gesehen auf die Produktionsdauer von 50 Jahren im Vergleich zu heutigen Entwicklungen nicht sehr viele waren. Bei einem solchen Upgrade – das haben verschiedene Firmen durchführen können -  wurde unter Umständen das ganze Gehäuse gewechselt, neu lackiert und mit der Originalnummer versehen. Der größte Innovationsschub kam mit dem neuen Bogendreieckgreifer 1956. Ein Umbau erforderte neben dem schnelleren Greifer die Erneuerung des gesamten Getriebes, eine neue Spiegelblende sowie einen neuen Seitendeckel. Eine Kamera mit Pilottongeber aus Anfang der 40er Jahre ist wahrscheinlich mehrfach umgebaut worden. Hier sind einige wichtige Merkmale gelistet, die eine Einordnung in die richtige Zeitabfolge zulassen:

Greifer

Die erste Kamera hatte einen relativ einfach aufgebauten Kurbelgreifer mit einem exzentrisch angeordneten Führungsstift für die Greiferstange.

Foto des Prototyp, Konstrukteur Erich Kästner

Kurbelgreifer in einem Serienmodell  Arriflex 35 II unter den ersten 1000 Kameras

Greifer mit Bogendreieck ab 1956, Konstrukteur Joachim Gerb

Seriennummern

Die erste Kamera war mit der Nummer  #500 versehen. Angangs wurden die Nummern links unterhalb des Objektivrevolvers eingeprägt. Später wechselte die Nummerierung  unter den Kassettenverschluss rechts von der Kompendiumhalterung.

Frontansicht des Modells 520, mit Seriennummer unten und Rundösen Halterung für Trageriemen auf der Kompendium Stange.

Tragegurthalterung

Die ersten Halterungen zur Befestigung eines Trageriemens waren simple Rundösen, eine hinten links an der Oberseite des Gehäusedeckels und die Zweite vorne auf der Kompendium-Stange.  Später wahrscheinlich ab Modell II (1941) wurde eine eckige Öse aus rundem Metall direkt mit dem Kameragehäuse verbunden, links hinten am Gehäusedeckel und rechts vorne an der Revolver-Gehäuse Oberseite. Vermutlich ab Modell IIB bis zum Einstellen der Arri 35 II Serie  wurden Aluminium Halterungen an den entsprechenden Gehäusestellen aufgeschraubt.

Eckige und Aluminium Trageösen.

Gehäusedeckel

Der Gehäusedeckel der Getriebeseite hat sich mehrfach geändert, wobei die größte Änderung zwischen dem ersten und zweiten Modell erfolgte. Ab Modell II ist links von der Antriebswelle eine runde Öffnung mit Abdeckung vorgesehen, in die später der Pilottongeber eingesetzt werden konnte. Der Gehäusedeckel der ersten Kameras zeigt in der Ausformung deutlich die vertikale Antriebsachse, die im Inneren offen liegt. Die Antriebsachse wird später gefasst und ist als Baugruppe in die Kamera eingesetzt.

Gehäusedeckel von #520 mit Formung für senkrechte Antriebsachse und kleinem Daumengriff, mit neuem Schrumpflack.

Foto der rechten Kameraseite in einem frühen Arri Prospekt, deutlich ausgeformte Vertikalantriebsachse und runde Öse für Trageriemen.

Seitendeckel einer Arriflex IIA  aus dem Jahr 1956, mit Eckiger Trageriemenbefestigung, sonst blieb die Form weitgehend unverändert bis zum Ende der IIC Reihe.

Getriebe

Alle Funktionen der Arriflex 35 Kamera werden von einer senkrechtstehenden Antriebsachse bewegt.

Getriebe einer frühen Arriflex mit offen liegender Vertikalachse, Hellsektor 120 Grad

Gekapseltes Getriebe ab Modell IIA mit größerem Hellsektor von 180 Grad, 1956, Tacho mit integriertem Pilottongeber nachgerüstet, Pilottonbuchse auf der Kamerarückseite

Pilottonausgangsbuchse mit 5PIN Tuchelstecker an der Kamerarückseite.

Lupendeckel

Der Lupendeckel blieb bei allen Modellen austauschbar. In der Baureihe gab es aber Verbesserungen.

Früher Lupendeckel (Arri Prospekt)

Lupendeckel des Modells II mit fixierbarer Dioptrien Verstellung (Arri Prospekt)

Lupendeckel Modell IIA mit silbernem Rand, schwarz eloxierte Sucherlupe

Lupendeckel  von Arri IIB / Arri IIC im Vergleich

Beim Modell IIC wurde das Okular abnehmbar gestaltet und das Lupenrohr im Durchmesser vergrößert. Eingebaut ist auch ein Schwenkmechanismus für den Lupenverschluss, in den ein anamorphotisches Entzerr-Element für Cinemascope eingesetzt werden konnte, das optional erworben werden musste.

Das Kamera Modell IIC erhält auch eine wechselbare Mattscheibe für Akademieformat, Breitwand, TV, Cinemasope und Techniscope.

Unverändert blieben den ganzen Produktzyklus die Motor- und die Kassetten–Schnittstelle.

Text und Bilder mit Ausnahme Prospektfotos ©Hans Albrecht Lusznat

 

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